1572 - Das Ritual
in den Trittstellen, der Untergrund wurde glatt, und Lambert ging auf die Stelle zu, die er für sich präpariert hatte.
Dort war eine Lücke im Schilf geschaffen worden. Er hatte einige Rohre zur Seite gedrückt und sogar zerschnitten. So kam er ohne Probleme an das Wasser heran.
Sein Gang war etwas schaukelnd, was ihm ebenfalls nichts ausmachte.
Er kam mit seiner Körperform noch nicht zurecht. Aber das würde sich im Laufe der Zeit geben.
Lambert ging ins Wasser.
Der weiche und schlammige Grund reichte ihm bald bis zu den Knien. Er setzte einen Fuß vor den anderen, er spürte die Kühle des Wassers und genoss sie.
So flach der See an seinem Ufer auch aussah, das war hier an der Halbinsel nicht der Fall. Schon nach einigen Schritten ging es steiler hinab.
Auf dem Gesicht des Nackten lag ein Lächeln. Er fand es wunderbar, diese Feuertaufe zu erleben, und so genoss er es, immer tiefer in den See zu gehen.
Er sah die Schilfrohre, die sich vor ihm leicht bewegten. Sie kamen ihm wie eine Wand vor, die niemals zur Ruhe kommen wollte, so lange es das Wasser gab.
Der nächste Schritt war wie der Beginn einer Rutschbahn. Es gab plötzlich keinen Grund mehr unter seinen Füßen. Er rutschte weg, und einen Moment später schwappte über ihm das Wasser zusammen.
Spätestens jetzt hätte er die Lippen schließen müssen, doch das tat er nicht. Er ließ den Mund offen, ebenso wie die Augen. Er wollte seine Vollkommenheit beweisen.
Er ging tiefer, blieb mit den Tür auf dem Boden und widerstand dem Auftrieb.
Und dann ging er.
Unter Wasser, ohne zu atmen. Er spazierte nicht in Richtung Seemitte, er hielt sich in relativer Nähe des Ufers auf, und er schaute hin und wieder in die Höhe, um über sich den Wasserspiegel zu sehen, der auf ihn den Eindruck einer blasshellen Decke machte.
Lambert genoss diesen Gang. Er war für ihn stets etwas Wunderbares, denn es zeigte ihm, wie weit er sich schon vom normalen Menschsein entfernt hatte. Er brauchte den Mund nicht zu schließen, es gab keine Furcht vor dem Ertrinken.
Das waren die Schritte zur Vollkommenheit. Er war ein ES geworden, ein Wesen, das sich überall bewegen konnte.
Manchmal ließ er sich auch in die Höhe treiben. Da trat er in der Tiefe Wasser. Das war für ihn der Weg zum endgültigen Sieg, und so genoss er jede Sekunde.
Er ging den Weg, den am Abend auch seine Jünger gehen sollten. Er würde ihnen zeigen, zu was man fähig sein konnte. Und sie würden ihm folgen, ohne zu ahnen, was er wirklich mit ihnen vorhatte. Ihre Energie würde auf ihn übergehen und ihm noch mehr Kraft geben, die er benötigte, um die absolute Vollkommenheit zu erreichen und alles auf sich zu vereinigen.
Lambert machte wieder kehrt. Er hatte eine bestimmte Stelle erreicht.
Weiter ging es nicht für ihn. Da wäre er in eine Strömung geraten, die ihn zu weit abgetrieben hätte. Er hatte es einmal erlebt und wollte es kein weiteres Mal durchmachen.
Auf dem Rückweg hielt er die Augen offen. Er wollte sehen, wie sich seine Welt unter Wasser veränderte. Sie wurde nur allmählich heller. Ihm war, als sähe er ein fernes Licht, das immer näher kam.
Sein Kopf tauchte auf. Er verschaffte sich einen ersten Überblick. Er sah das Ufer seiner Halbinsel und war zufrieden.
Niemand hielt sie besetzt. Dieses Tür Land gehörte ihm allein.
Das Wasser rann aus seinen Haaren, und er strich mit beiden Händen durch das Gesicht, um es von den Rinnsalen zu befreien.
Nach drei weiteren Schritten erreichte er den festen Boden und reckte sich den wenigen Sonnenstrahlen entgegen, die das Blätterdach der Bäume durchließ.
Es ging ihm gut. Dieser Gang unter Wasser hatte ihm viel gebracht. Er konnte sich freuen, denn er fühlte sich noch stärker als beim letzten Mal.
Er fieberte den nächsten Stunden entgegen. Dass es irgendwo am See einen Feind gab, daran wollte er nicht mehr denken. In der Nacht, wenn seine große Stunde kam, konnte ihm das alles egal sein.
Die Hütte war jetzt zu sehen. Vom See aus war sie unsichtbar, und das war auch gut so.
Lambert hatte die Tür nicht zugezogen. Die Kerzenflammen waren gelöscht, und zwischen den Wänden hatte sich die Dunkelheit ausgebreitet.
Er war in Gedanken an die Zukunft versunken, und er fühlte sich nach wie vor absolut sicher.
Den Irrtum bemerkte er sehr bald.
Jemand trat aus der Hüttentür nach draußen, und eine Männerstimme sagte: »Hab ich dich endlich, du Schwein!«
***
Lambert hatte die Worte gehört, und ihm war, als hätte man
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