1575 - Luzifers Angriff
ehrlich sein soll. Was ich erlebt habe, das kommt mir vor wie ein böser Traum. Das hat mich in meinen Grundfesten erschüttert. Ich komme mir vor wie jemand, der nicht mehr in der Wirklichkeit steht. Durch meine Aufgabe bin ich ja einiges gewöhnt, aber was heute passiert ist, sprengt jeden Rahmen.«
»Ja, es ist schlimm. Es ist archaisch. Es ist ein heimtückischer Angriff der Hölle.« Ich zerrte meinen Gurt zurecht, der an den Seiten schon recht ausgefranst aussah. »Die andere Seite sucht sich besondere Menschen aus, die sie knechten kann. Die eigentlich stark genug sind, um ihr zu widerstehen, was sie aber nicht schaffen, weil die Kräfte des Feindes stärker sind.«
»Das habe ich bei mir gesehen.«
»Eben.«
»Und du glaubst, John, dass du gewinnen kannst?«, fragte er nach einer Weile.
»Das hoffe ich doch. Ich kann nicht weglaufen. Das ist einfach unmöglich.«
»Ich auch nicht.« Er presste die Lippen zusammen und nickte. »Ich habe einen Schwur geleistet, den ich einhalten muss. Etwas anderes kommt für mich nicht in Betracht.«
»Das hatte ich mir gedacht. Ich möchte dich nur um eines bitten. Wenn es geht, halte dich zurück. Du musst auf deine Sicherheit achten. Manchmal ist es sogar besser, wenn man die Flucht ergreift.«
Er hob die Schultern an.
»Malsehen…«
Irina sagte etwas. Sie musste es wiederholen, damit wir es hören konnten.
Stephan nickte, und ich fragte: »Was hat sie gesagt?«
»Dass wir bald von der Straße abbiegen müssen.«
»Aha.«
In den nächsten zwei Minuten unterhielten sich nur die beiden.
Ich lehnte mich nicht entspannt zurück, sondern wartete darauf, dass sich etwas tat.
Irina hatte sich nach vorn gedrückt. Sie hielt sich mit beiden Händen an meiner Rückenlehne fest, und sie sprach dabei mit leiser Stimme.
Ich betrachtete die Umgebung. Der See war manchmal noch zu sehen.
Sein Wasser schimmerte in der Ferne.
Ich schaute nach rechts und sah nicht weit von der Straße entfernt so etwas wie ein wildes Gebiet. Keinen direkten Wald mit hohen Bäumen, dafür hohes Buschwerk und auch Niederwald. Die wenigen Bäume, die sich dort durchgesetzt hatten, sahen aus wie einsame Wächter.
Die Straße führte nicht in diese Richtung. Sie wand sich in Schlangenlinien daran vorbei, dann aber mussten wir von der Straße weg, und Irina begann schnell und hektisch zu sprechen.
Einen normalen Weg gab es nicht, in den wir einbiegen konnten. Irina wusste trotzdem Bescheid, denn sie schickte uns einfach querfeldein.
Wir vertrauten ihr, und ich blickte nach vorn und hielt angestrengt Ausschau nach den Türmen. Auf der Vision waren sie jedenfalls deutlich zu sehen gewesen.
Ich hörte Stephans leise Stimme.
»Hätte es geregnet, wären wir hier nicht durchgekommen. Dann wäre der Boden ein einziges Schlammloch gewesen.«
Auch so war es schwer genug.
Es gab immer wieder Stellen, an denen der Untergrund nachgeben wollte, aber mein Nebenmann war ein guter Fahrer. Dennoch hatte er Mühe, den alten Mercedes auf dem Weg zu halten, der an zahlreichen Stellen überwuchert war. Manchmal lief er Gefahr, stecken zu bleiben, doch er schaffte es immer so gerade, noch, den Wagen in Bewegung zu halten.
Aber auch für uns gab es ein Ende. Der Niederwald mit den nur vereinzelt stehenden hohen Bäumen war schon recht nahe herangerückt, und Stephan merkte, dass der Punkt erreicht war, an dem wir unseren Weg zu Fuß weitergehen mussten.
»Das war’s«, sagte er und schaltete den Motor ab.
Ich schnallte mich los und stieg aus.
Auch Irina verließ den Wagen.
Ich warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. Ihr Gesicht war angespannt, dennoch versuchte sie es mit einem Lächeln.
Stephan sprach sie an.
Die junge Frau hörte aufmerksam zu. Sie hatte ihren Blick auf den Mönch gerichtet, als wollte sie die Worte auch mit ihren Augen aufsaugen. Danach nickte sie einige Male, und ich wollte wissen, was er ihr gesagt hatte.
»Ich habe ihr erklärt, dass für sie hier die Endstation ist. Wir werden allein weitergehen.«
»Und was ist mit ihr? Wo soll sie hin?«
Stephan hob die Schultern. »Ich habe ihr geraten, wieder zurück zur Straße zu laufen. Oder hast du eine bessere Idee?«
»Nein. Sie hat schon genug für uns getan. Ich habe schon ein schlechtes Gewissen. Und wie hat sie sich entschieden?«
»Sie weiß es noch nicht.«
»Was gibt es denn für Alternativen?«
Der Agent der Weißen Macht lachte.
»Das kann ich dir auch nicht sagen. Das muss Irina allein entscheiden.«
»Okay.« Ich
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