1576 - Die Leichengasse
rechten Hinterreifen kniete sie nieder. Sie streckte eine Hand aus, wollte die Kappe des Ventils entfernen, als sie hinter sich etwas hörte.
Ein leises Lachen?
Sie wollte es kaum glauben, aber es wiederholte sich, und danach hörte sie eine Stimme.
»Wenn du dich bewegst, bist du tot!«
Die Stimme jagte Jane einen Schauer über den Rücken, weil sie so rau und kratzig klang.
Plötzlich hatte sie das Gefühl, in einem unsichtbaren Käfig zu stecken, aus dem sie sich nicht mehr befreien konnte. Sie schalt sich zudem eine Närrin, nicht besser aufgepasst zu haben. Es gab noch einen dritten Mann, und sie musste davon ausgehen, dass der sie mit einer Waffe bedrohte.
»Ich habe verstanden!«
»Gut. Dann steh auf und leg deine Hände im Nacken zusammen. Aber hübsch langsam, denn ich habe einen ziemlich nervösen Zeigefinger, das kannst du mir glauben.«
»Ja, ja, schon gut.« Jane tat, was man ihr gesagt hatte.
»Geht doch«, sagte der Mann hinter ihr und lachte wieder. »Was hast du eigentlich hier zu suchen?«
»Weiß nicht.«
»Oh - verstockt auch noch. Das gefällt mir gar nicht. Ich denke, wir werden uns etwas näher mit dir beschäftigen müssen. Wir mögen es gar nicht, wenn man uns bei unserem Job stört.«
Das war eine Drohung, das wusste Jane. Sie wusste auch, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, um das Blatt zu ihren Gunsten zu wenden. Das heißt, ihr blieb überhaupt keine Zeit mehr, denn der Typ hinter ihr hatte sich entschlossen zu handeln.
Sie hörte noch ein kurzes Geräusch, fast ein Zischen, dann erwischte sie ein harter Gegenstand am Hinterkopf.
Etwas sprühte noch vor ihren Augen auf. Einen Herzschlag später sackte sie hinein in die Tiefe der Bewusstlosigkeit…
***
Es war einige Zeit vergangen, das wusste die Detektivin. Nicht nur, eine Nacht, sondern ein Tag und noch eine Nacht, die sie an einem unbekannten Ort verbracht hatte.
Zuerst in einem völlig dunklen Raum. In einer Angstkammer, wie man ihr gesagt hatte. Und ein normaler Mensch hätte auch Angst bekommen. Er hätte geschrien und getobt. Jane hatte zwar auch Angst, sie konnte allerdings damit umgehen. Zu viele gefährliche und lebensbedrohliche Situationen hatte sie in ihrem Leben schon durchlitten. So schnell warf sie die Flinte nicht ins Korn, und daran hielt sie sich jetzt. Nur nicht aufgeben.
Auch wenn es zuerst so ausgesehen hatte, vergessen worden war sie nicht. Hin und wieder war jemand gekommen und hatte ihr etwas zu essen und zu trinken gebracht. Sie hatte den Mann nie sehen können, weil sie ein starker Lichtstrahl blendete.
Jane war nicht so dumm gewesen, auf die Nahrung zu verzichten. Sie musste bei Kräften bleiben, denn irgendwann würde es weitergehen.
Auch mit ihr.
Am schlimmsten war das Warten. Die Stunden dehnten sich. Man hatte ihr die Waffe abgenommen, aber das Handy nicht gefunden. Dieses kleine Gerät steckte in einer Seitentasche ihre Hose in Höhe der Waden.
Natürlich hatte Jane versucht, zu telefonieren, was jedoch nicht möglich gewesen war. Sie hatte keine Verbindung bekommen.
Ihre Enttäuschung darüber hielt sich in Grenzen. Jane machte gedanklich aus ihrer Lage das Beste. Sie aß von dem pappigen Brot, aber noch wichtiger war das Trinken. In regelmäßigen Abständen wurden ihr neue Wasserflaschen gebracht, und bei jedem Besuch unternahm sie den Versuch, mit dem Mann zu reden, der ihr Wasser und Nahrung brachte.
Vergebens…
Jane wusste, dass ihr Verschwinden auffallen und man nach ihr suche würde. Es kam nur auf den Zeitraum an. Zwar lebte sie mit Justine Cavallo unter einem Dach, aber die Vampirin und sie gingen in der Regel getrennte Wege, und darüber war Jane auch froh. Jetzt nicht mehr so, denn wenn ihr Verschwinden jemandem auffiel, dann eigentlich nur der blonden Justine.
Wie oft sie ihre immer gleichen Gedanken gewälzt hatte, wusste sie selbst nicht. Aus dem Verlies kam sie nicht heraus. Da man ihr auch die Lampe abgenommen hatte, war es nur bei einem Tasten geblieben. Sie wusste, dass die Steinwände rau waren, und sie kannte auch die Lage der dicken Holztür, an der sie jetzt ein bekanntes Geräusch hörte, denn außen wurde ein Riegel zurückgezogen.
Es war wie immer. Jemand würde erscheinen und ihr frisches Wasser und Brot bringen.
Jane hatte sich hingestellt. Sie kannte die Prozedur. Man wollte, dass sie sich gegenüber der Tür an die Wand stellte und sich nicht von dort weg bewegte.
Daran hielt sie sich auch jetzt und schaute zu, wie ein schwacher Lichtschimmer in
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