1581 - Ekel
verdient gehabt. Du weißt doch, was in mir steckt, meine Liebe. Und das steckt auch in dir. Ja, finde dich damit ab.«
»Das kann ich nicht. Ich habe mich nur geekelt. Ich will es nicht. Ich habe nicht gedacht, dass es so schlimm sein könnte. Das ist grauenvoll.«
»Du wirst dich damit abfinden müssen, das sage ich dir. Und mit dir wird auch das geschehen, was mir widerfahren ist. Die Schlange wird töten. Sie gehorcht dir, und sie - nun ja, sie geht zugleich ihren eigenen Weg. Daran kannst du nichts ändern.«
Lisa stöhnte. »Das will ich aber nicht. Kannst du das nicht begreifen? Wenn ich an diese Schlange denke, die in mir steckt, dann wird mir übel.«
»Unsinn, Lisa. Du musst anders denken. Die Schlange ist die Macht, verstehst du? Sie ist das Urgeschöpf. Sie hat in uns einen Platz gefunden, und sie macht uns stark. Haben wir das nicht alle gewollt, als wir uns trafen? War das nicht unser Ziel?«
»Ja, schon.«
»Na bitte, dann ist doch alles in Ordnung. Du musst dich nur daran erinnern, was wir wollten. Alles andere spielt dann keine Rolle mehr. Sie bestimmt ab jetzt unser Leben.«
»Das will ich nicht.«
»Hör auf, so zu reden. Du kannst nicht anders. Mach sie auf keinen Fall wütend.«
»Ich weiß nicht. Mir ist das alles zu viel geworden. Ich kann einfach nicht mehr.«
»Du wirst es können müssen. Warte noch. Schlaf darüber, und wenn sie wieder erscheint, dann freu dich. Sieh die Schlange einfach nur als deine Beschützerin an.«
»Ich ekle mich aber vor ihr.«
»Das musst du überwinden.«
Lisa Long stöhnte auf. »Ja«, gab sie zu. »Es ist wohl so, wie du es gesagt hast. Eine Schlange ist dabei, unser Leben zu bestimmen. Nur diese Schlange…«
»Und das ist gut so.«
Lisa musste lachen. Es klang alles andere als erfreut, aber daran störte sich Susan Serrano nicht. Sie fühlte sich wunderbar.
Dass ein Mensch durch ihre Schuld gestorben war, interessierte sie überhaupt nicht. Es ging um ihre Zukunft, und die lag strahlend vor ihr.
»Bist du noch dran, Susan?«
»Ja.«
»Ich möchte dich noch etwas fragen.« Jetzt vibrierte Lisas Stimme wieder.
»Gern.«
»Kann ich zu dir kommen?«
Susan zuckte zusammen. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.
»Wann denn?«
»Am liebsten jetzt, doch ich weiß, dass es dir nicht recht ist. Ich will auch nicht bei dir wohnen, aber ich kann dich doch besuchen. Vielleicht morgen Nachmittag?«
»Du meinst heute?«
»Ja, auch das.«
Susan musste nicht lange überlegen. »Ja, du kannst kommen, ich habe noch Urlaub.«
»Danke, das ist toll. Vielen Dank, Susan. Dann können wir miteinander reden.«
»Aber reiß dich zusammen.«
»Klar, mach ich.«
Susan lächelte schmal. »Entschuldige noch mal die späte Störung.«
»Kein Problem, Susan. Ich bin froh, dass du mich angerufen hast.«
»Bis dann.«
Susan schüttelte den Kopf, nachdem das Gespräch unterbrochen war.
Sie konnte nicht begreifen, dass Lisa nicht ebenso dachte wie sie.
Da musste bei ihr etwas völlig verkehrt gelaufen sein. In Frankreich, als sie alle zusammen waren, hatte sie sich anders verhalten. Sie hatten abgemacht, zusammenzuhalten, doch jetzt schien Lisa kalte Füße bekommen zu haben.
Susan griff wieder zum Weinglas und leerte es mit einem Zug. Dann lächelte sie wieder. Im Gegensatz zu Lisa fühlte sich Susan durch die Kraft der Schlange stark. Stärker als je zuvor in ihrem Leben. Dieses Urtier war jetzt ein Teil von ihr.
Die Schachtel mit den Zigaretten lag griffbereit. Susan klaubte ein Stäbchen hervor und steckte es zwischen ihre Lippen. Gelassen zündete sie die Zigarette an. Sie füllte Wein nach, winkelte die Beine an und blieb in dieser Haltung auf der Couch sitzen.
Ihr Gesicht nahm einen Ausdruck an, als wäre sie tief in ihre Gedanken versunken. Sie drehten sich um Lisa. Hoffentlich scherte sie nicht aus der Gruppe aus.
Der Wein tat ihr gut, die Zigarette schmeckte ebenfalls, und die Müdigkeit war noch nicht vorhanden. Ihr gefiel die Stille innerhalb der Wohnung, aber die wurde plötzlich gestört, denn mit einem Mal schlug die Türglocke an.
Damit hatte Susan Serrano nicht gerechnet. Sie zuckte zusammen, als hätte man ihr einen Stromstoß versetzt. Von Entspannung war auf einmal nichts mehr zu spüren.
Wer wollte um diese Zeit noch zu ihr?
Eine andere Person aus der Gruppe vielleicht? Nein, die wohnten weit weg.
Wieder schellte es. Diesmal sogar länger.
Susan holte tief Luft durch die Nase und stand auf. Sie war neugierig geworden und
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