1581 - Ekel
und schaute dem Qualm nach, den sie gegen die Decke blies.
Durch ihren Kopf huschten zahlreiche Gedanken. Sie waren nicht mehr als Fetzen und mussten sich erst zu einem Ganzen zusammensetzen.
An diesen Ben dachte sie nicht mehr. Sie trank den kühlen Wein und dachte zurück an ihre Zeit in Frankreich, die sie gemeinsam mit anderen Frauen an einer bestimmten Stelle verbracht hatte.
Im Zeichen der Schlange!
Ja, sie war wichtig gewesen, sie stand über allem. Man musste sich schon damit beschäftigen und seinen Ekel überwinden, aber sie war davon überzeugt, ein neues Bewusstsein erhalten zu haben. Ihr und den anderen Frauen waren die Augen geöffnet worden.
Die anderen Frauen!
Bei diesem Gedanken stockte sie.
Susan Serrano erinnerte sich an eine Person, die ebenfalls aus London stammte und auf den Namen Lisa Long hörte. Die anderen Frauen wohnten überall in Europa verteilt.
Ob sich bei ihr auch schon die Veränderung gezeigt hatte? Die Frage beschäftigte sie, und sie wollte auf jeden Fall eine Antwort bekommen, und das so schnell wie möglich.
Die beiden Frauen hatten vereinbart, in Verbindung zu bleiben. Bisher war das noch nicht geschehen. Weder telefonisch noch über E-Mails.
Susan wollte das nun ändern. Sie setzte sich allerdings nicht vor den Computer. Sie trank noch einen Schluck Wein, drückte die Kippe aus und holte sich das Telefon.
Dass es spät war, war ihr in diesem Fall egal. Zudem wohnte Lisa Long allein, und Susan glaubte nicht, dass ihre Verbündete Besuch hatte.
Sie wählte die Nummer und wartete. Ihrer Meinung nach musste sie ziemlich lange warten. Zwischendurch trank sie den Wein in kleinen Schlucken und wollte schon aufgeben, als jemand abnahm und sie Lisas leise Stimme hörte.
»Ja? Wer ist da?«
»Hi, Lisa, du bist ja doch da.«
»Bitte, wer will mich sprechen? Es ist schon recht spät und…«
»Ich bin es, Susan.«
Pause. Dann der schwere Atemzug. »Du rufst mich an?«
»Klar.«
»Um diese Zeit?«
Susan lachte leise. »Haben wir uns nicht gegenseitig versprochen, immer füreinander erreichbar zu sein?«
»Ja, das ist wohl war.«
»Und das habe ich wahr gemacht.«
Lisa legte eine Pause ein, bevor sie fragte: »Gibt es denn einen Grund dafür?«
»Nun ja, ich denke schon, denn es ist etwas wahr geworden, was wir uns gewünscht haben.«
»Wie meinst du das?« Lisas Stimme vibrierte. Sie schien Bescheid zu wissen, und sie hatte zugleich Angst davor, die Dinge auszusprechen, was bei Susan nicht der Fall war.
»Ich habe es erlebt. Du auch?«
Lisa räusperte sich. Mit immer noch zitternder Stimme flüsterte sie: »Was hast du denn erlebt?«
»Die Schlange. Deshalb rufe ich dich auch an, um zu erfahren, ob dir das Gleiche widerfahren ist.«
Susan hörte eine Antwort, die aber setzte sich aus würgenden Lauten zusammen. Erst als sie schwächer geworden waren, fragte sie: »Was ist los mit dir?«
»Ich ekle mich.«
»Ach…«
»Ja«, flüsterte Lisa, »ich verspüre nichts anderes als Ekel. Du hast recht, es hat mich in dieser Nacht erwischt. Ich lag schon im Bett und habe geschlafen. Dann war plötzlich die Schlange in mir. Sie drängte sich aus meinem Mund. Es war grauenvoll, muss ich dir sagen. Noch nie habe ich einen derartig starken Ekel verspürt. Das war kaum auszuhalten.«
»Aber wieso? Wir waren doch zusammen. Es lief alles so wunderbar ab. Ekel - nein…«
»Doch, Susan, ich habe mich geekelt. Ich stand vor dem Spiegel, ich habe die Schlange gesehen, wie sie aus meinem Mund schoss, und das war schlimm.«
»Bei mir ist es auch so abgelaufen.«
»Und?«
»Ich hatte damit kein Problem, muss ich ehrlich sagen. Bei mir lief alles glatt…«
»Wie glatt denn?«
»Die Schlange hat mich befreit, Lisa.«
»Ach. Und von wem?«
»So ein geiler Typ wollte mir an die Wäsche. Ich habe ihn noch gewarnt. Er wollte nicht hören. Ja, und dann erschien plötzlich die Schlange und hat kurzen Prozess gemacht.«
»Wie denn?«
»Er lebt nicht mehr. Ein Schlangenbiss hat ausgereicht. Das Gift hat sehr schnell gewirkt. Jetzt hockt er tot in seinem Wagen, und ich habe wieder Ruhe.«
Es war von Lisa nichts zu hören. Dieses Geständnis musste sie geschockt haben.
Erst nach einer ganzen Weile vernahm Susan den schweren Atem der Frau. »Wieder okay, Lisa?«
»Fast…«
»Und weiter?«
»Nichts.« Lisa flüsterte. »Ich kann nichts mehr denken. Du hast einen Mord gestanden!«
Susans Gesicht versteinerte für einen Moment.
»Das war kein Mord! Er hat es nicht anders
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