1581 - Ekel
zusammenzog. Ich hörte das Schmatzen.
Das Gesicht nahm einen angestrengten Ausdruck an, und in ihren Augen lag wieder der böse Blick, den ich schon kannte.
Diese Veränderung hatte mich etwas zögern lassen. Ich legte das Kreuz in dem Moment frei, als die gespaltene Schlangenzunge zwischen den Lippen hervorhuschte…
***
Es war so etwas wie der Augenblick der Wahrheit.
Gut stand gegen Böse. Die Schlange wurde von einer Kraft geleitet, die uralt war, und mir war klar, dass sie den Sieg wollte. Trotzdem konzentrierte ich mich im Moment nicht auf sie, denn ich wollte meinen Blick nicht von den Augen der Frau nehmen.
Wie würde sie auf den Anblick des Kreuzes reagieren? Würde sie ihn hinnehmen? Verging sie vor Furcht? Schließlich gehörte sie zur anderen Seite. Doch die Schlange existierte bereits, als es das Kreuz als Symbol des Sieges noch nicht gab.
Ich entdeckte bei Susan Serrano keine Veränderungen. Allerdings blieb die Schlange nicht unbeeindruckt. Ich hatte sie ja schon aus dem Mund hervorschießen sehen, und jetzt sah ich sie erneut. Sie konnte in einem sensiblen Menschen schon das Gefühl des Ekels hochsteigen lassen, was bei mir nicht geschah.
Mich interessierten ihre Reaktionen auf das Kreuz, und die gab es tatsächlich. Die Schlange begann sich unruhig zu bewegen. Dabei schwang sie von einer Seite zur anderen, und sie schaute noch immer aus dem Mund der Frau.
Damit hatte Susan Serrano nicht gerechnet. Sie hatte plötzlich Mühe, ihr Gleichgewicht zu bewahren. Sie streckte die Arme aus und ruderte damit.
Der grünlichbraune Körper der Schlange schwang hin und her. Aus ihrem Maul huschte die Zunge, und irgendwie war es ein anderer Vorgang als der, den ich auf dem Bett erlebt hatte.
Warum würgte Susan nicht? Sie hätte ersticken müssen, doch nichts in dieser Art trat ein. Nur ihre Augen hatten sich geweitet. Ob der Blick ihrer Pupillen Panik zeigte, war für mich nicht zu erkennen. Aber sie hielt sich auf den Beinen, und sie wollte mehr.
Es war, als hätte sie einen Stoß in den Rücken erhalten. Ein Sprung auf mich zu, und ich kam nicht so schnell weg.
Es war zu eng in meiner Umgebung. Sie wollte mich zu Boden stoßen, und die Schlange sollte davor noch ihre Zähne in meine Haut schlagen.
Ich wich nicht aus. Etwas zischte auf, und einen Moment später sah ich die Folgen. Der Schlangenkörper hatte Kontakt mit dem Kreuz bekommen. Das Zischen hörte sich an, als wäre etwas Heißes durch kaltes Wasser gelöscht worden.
Ich hatte die Berührung gespürt und hörte jetzt den Schrei, der dumpf aus dem Mund der Frau drang.
Normal schreien konnte sie nicht mehr. Sie ging auch keinen Schritt weiter. Sie wollte sich am Tisch abstützen, verfehlte den Rand, rutschte ab und fiel vor meine Füße. Sie landete nicht ganz auf dem Boden, sondern blieb in einer sitzenden Haltung, sodass ich auf sie nieder schaute.
Den Kopf hatte sie etwas in den Nacken gelegt. Mein Blick fiel in ihr entsetztes Gesicht, in dem mich diesmal nicht die Augen interessierten, sondern der Mund.
Die Schlange sah nicht mehr so aus wie sonst. Es gab sie noch, aber sie hing verkohlt nach unten, und sie sah dabei aus wie ein dicker schwarzer Faden.
Das Böse war verbrannt, und als ich mein Kreuz betrachtete, da sah ich, dass die eingravierten Buchstaben an den Balkenenden einen leichten Glanz abstrahlten, als hätten die Erzengel gespürt, dass hier ein Zerrbild des Bösen in der Nähe gelauert hatte.
Wie ging es Susan Serrano?
Sie kippte nicht um. Sie saß auf der Stelle wie eine Statue. Aber sie lebte, denn sie atmete noch. Es war ein hektisches Luftholen, als stünde sie dicht davor, zu kollaborieren. Ihr Gesicht war von einem Schweißfilm bedeckt und da der Mund nicht geschlossen war, bückte ich mich, um einen Blick hineinzuwerfen.
Die Schlange war verkohlt, aber Feuer hatte es nicht gegeben. Wie sah es jetzt in der Mundhöhle aus?
Es war nichts zu sehen, was der Frau noch hätte gefährlich werden können. Die verkohlte Schlange hatte sich offenbar aufgelöst. Nur den Schleim sah ich, und der hatte eine andere Farbe angenommen, die ich als dunkelgrau oder schwarz ansah.
Susan rollte mit den Augen, bis sie ihren Blick auf mich richtete.
»Können Sie aufstehen?« Ich sprach sie jetzt wieder offiziell an, denn die Lage hatte sich grundsätzlich geändert und ließ keine Kumpanei mehr zu. »Ist mit Ihnen alles einigermaßen okay?«
Sie zischte mir etwas entgegen, was ich nicht verstand, denn die Töne hätten auch von
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