1581 - Ekel
Würgegriffs.
Ich beobachtete besonders den offenen Mund, da ich die Schlange sehen wollte. Doch noch zeigte sie sich nicht wieder. Zwar bewegte sich etwas im Rachen, doch es war die normale Zunge, die man durchaus als einen Klumpen im Vergleich zur anderen Zunge bezeichnen konnte.
Kam sie wieder hoch?
Ja, sie winkelte die Arme an und stemmte ihren Körper in eine Schräglage. Mit einer Hand hielt sie dabei den Bademantel fest. Jetzt sah sie mich an, doch sie zeigte keine Reaktion, als sie die Waffe in meiner Hand wahrnahm. Ich nickte ihr zu.
»Dein Plan hat wohl nicht so recht geklappt. Nicht jeder lässt sich so hereinlegen wie Ben Miller.«
Susan Serrano bewegte ihren Mund, als wollte sie sprechen. Ich hörte dabei keinen Laut. Ich sah auch keine Schlange mehr, nur die roten Striemen an ihrem Hals, die von meinem Würgegriff stammten.
Jetzt sprach sie auch. Die Stimme klang belegt und heiser. »Wollen Sie mich erschießen?«
»Fast hätte ich es getan. So leben wir beide, und ich denke, dass es so besser ist.«
Sie lachte kehlig. Dann schüttelte sie den Kopf. »Du hast noch nicht gewonnen, Sinclair.«
»Zumindest habe ich einen Teilsieg errungen. Für den Anfang bin ich zufrieden.«
»Ich kriege dich noch.«
»Versuchen Sie es!«, antwortete ich gelassen.
Susan Serrano streifte im Sitzen ihren Bademantel über.
Ich überlegte, was ich mit ihr anstellen sollte. Wie ging es weiter? Sie sah aus wie eine normale Frau, aber in ihr steckte eine Kraft, die man nicht als normal bezeichnen konnte. Sie war nicht mit einer Schlangenzunge geboren worden. Wer hatte sie so verändert?
Ich glaubte nicht, dass es von allein geschehen war. Dahinter steckte etwas anderes. Man konnte zu einer Schlange stehen, wie man wollte.
Die meisten Menschen ekelten sich vor diesen Tieren, obwohl es dazu keinen Grund gab.
Aber da gab es die alte Geschichte aus dem Paradies. Die Schlange hatte zusammen mit Eva den Garten Eden entweiht und dafür gesorgt, dass die nachkommende Menschheit das Paradies verlor.
Dass sich die Menschen nicht verstanden, dass es Kriege, Hungersnöte und einiges mehr gab, das hatten sie letztendlich der Schlange zu verdanken. Und deshalb würde man sie nie positiv sehen, so lange man sich an die Verführung Evas durch die Schlange erinnerte.
Wie oft hatten sich die Menschen den Teufel als Schlange oder schlangenähnliches Wesen vorgestellt! Manchmal war sie zu einem kriechenden Drachen geworden, der Feuer spie, aber sie war stets die Verführerin gewesen, und das hatte sich bis heute nicht geändert.
Ich sah sie leider nicht, obwohl die Lippen der Frau nicht geschlossen waren. Susan wischte sich nur etwas Speichel - oder war es Schleim? von den Lippen und hielt sich ansonsten zurück. Das hieß, sie benahm sich als wäre ich nicht vorhanden.
Mit unsicheren Bewegungen verließ sie das Bett und musste eine Weile daneben stehen bleiben, weil sie wohl Probleme mit dem Kreislauf hatte.
Sie hab auch den Gürtel ihres Morgenmantels auf, schlang ihn um ihre Taille und drehte sich dann um, als wollte sie gehen.
Ich zielte auf sie. »Wohin?«
»Ich brauche was zu trinken.« Ihre Stimme klang noch immer ziemlich belegt.
Das konnte ich verstehen. »Gut, dann gehen wir in die Küche.«
Sie lachte mich an. »Und weiter?«
»Ich denke, dass Sie mir einiges zu erzählen haben.«
Ihre Antwort bestand aus einem scharfen Blick. Danach schob sie mich zur Seite und ging an mir vorbei.
Ich hatte einen Anfang erlebt, wie es weitergehen und enden würde, wusste ich nicht. Mir war nur klar, dass ich mal wieder mittendrin im Schlamassel steckte…
***
Susan Serrano dachte nicht daran, mich anzugreifen. Sie bewegte sich völlig normal, öffnete die Tür des Kühlschranks und holte eine Flasche Wasser hervor.
Ich stand nicht weit entfernt an der Küchentür, schaute ihr zu, wie sie trank, und fragte mich, wie das überhaupt möglich war, wo sie doch eine Schlange als Zunge im Mund hatte.
Oder auch nicht, denn sie trank normal. Nichts wies auf eine unnatürliche Veränderung hin, denn sie leckte mit der normalen Zunge ein paar Tropfen von ihren Lippen.
»Du staunst, nicht?«
Ich hob nur die Schultern.
Susan Serrano bekam wieder Oberwasser und grinste schief, bevor sie fragte: »Was denkst du jetzt?«
»Das ist ganz einfach. Ich bin Polizist, und Sie haben mir einen Mord gestanden. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie zu verhaften. So sieht es aus.«
»Ach, bist du dir da so sicher?«
»Ja.«
Sie
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