1582 - Herr der Unterwelt
ich den Kollegen nicht mal einen Vorwurf machen.
Für uns ging es darum, dass wir mit aller Macht verhindern mussten, dass es weitere Tote gab.
Ich schaute an der Hauswand hoch, weil ich davon ausging, dass wir möglicherweise gesehen worden waren, aber da rührte sich an keinem Fenster etwas.
Bill ging schon auf die Haustür zu. Sie war sehr kompakt und sah noch recht neu aus. Wir wunderten uns nur darüber, dass sie nicht verschlossen war.
Bill drückte sie mit dem Knie nach innen, hielt sie dann an und drehte sich zu mir um.
»Es ist eigenartig, dass die Tür offen ist. Hoffentlich hat das nichts Schlimmes zu bedeuten.«
Ich sagte nichts und folgte meinem Freund in einen nicht eben hellen Flur, an dessen Ende sich eine Treppe anschloss, die ins obere Geschoss führte.
Wir hielten vor der Treppe an, lauschten und zeigten dabei nicht eben begeisterte Gesichter, weil uns beiden die Stille nicht gefiel. Ob Willow schon hier gewesen war?
Diese Frage stand unausgesprochen zwischen uns. Es gab niemanden hier, der sie uns hätte beantworten können.
Unsere Füße standen auf einem alten Teppich. Rechts von uns befand sich eine Tür, in deren oberer Hälfte ein undurchsichtiger Glaseinsatz eingebaut war.
Diese Tür war alt und noch mit einem glänzenden Metallknauf versehen.
Ich fasste ihn an, drehte ihn und konnte die Tür nach innen drücken.
Vor unseren Augen breitete sich ein großer Raum aus. Mehrere geschlossene Fenster führten zur Straße hin. Es gab drei Tische, um die jeweils vier Stühle standen.
Hier konnten die Gäste ihr Frühstück einnehmen. Jetzt war der Raum leer.
Mit vorsichtigen Schritten betraten wir ihn. Nicht nur ich wurde von einem seltsamen Gefühl erfasst, auch Bill, das war seinem Gesicht anzusehen.
Im Hintergrund und eingerahmt zwischen zwei hohen, dunklen Schränken entdeckten wir eine Tür, die geschlossen war.
Ich ging hin und stieß sie auf.
Vor mir lag eine Küche. Ein Fußboden, der mit schwarzen und weißen Quadraten gefliest war.
Ein Tisch - und…
Ich verzog das Gesicht und ein geflüstertes »Nein…« verließ meinen Mund.
Auf dem Tisch lag rücklings eine ältere Frau. Um den Hals herum hatte sich eine rote Lache ausgebreitet, und auf der Stirn sahen wir ein W eingeritzt.
Auch Bill trat näher. Er war ebenfalls geschockt. Er hielt eine Hand gegen den Mund gepresst und atmete nur noch durch die Nase. Sein Blick war starr, und als er den Kopf schüttelte, nahm er die Hand wieder vom Mund.
Ich war bereits an den Tisch herangetreten. Es gab keinen Zweifel, die Frau war tot.
Willow hatte sein zweites Opfer gefunden, und wir hatten es nicht verhindern können.
Über meine Lippen drang ein geflüsterter Fluch, aber der brachte die tote Frau auch nicht wieder zurück ins Leben.
»Es muss die Wirtin sein«, sagte Bill.
»Sicher. Und wo befindet sich Grace Taylor?«
»Hoffentlich hat Willow sie nicht auch umgebracht. Wir müssen das Haus durchsuchen.«
Bill nickte. »Der Killer ist ungewöhnlich abgebrüht. Er lässt kein Opfer laufen. Er hat sie gesehen, er hat sie verfolgt, zuerst nicht bekommen und hat dann seinen Plan weiter durchgezogen, als er in dieses Haus eindrang. Aber nicht Grace ist ihm über den Weg gelaufen, sondern die Vermieterin. In seinem Blutrausch hat er sie eiskalt gekillt.« Bill stieß den Atem aus. »Oder hast du eine andere Idee?«
»Nein. Ich frage mich nur, ob er sich noch hier im Ort aufhält.«
»Um wen zu finden? Wenn er sich Grace Taylor geholt hat, wird das nicht mehr nötig sein.«
Ich schaute ihn fragend an. »Du meinst, er hat sich die junge Frau geholt?«
»Ja.« Bill schluckte und verzog das Gesicht, als hätte er bitteren Gallensaft getrunken. »Er braucht doch Nachschub für seine Unterwelt. Ich kann mir vorstellen, dass er zu Grace eine Beziehung durch ihren toten Bruder gehabt hat. Sie wird ihm etwas gesagt haben…« Bill hob die Schultern. »Ich weiß es auch nicht.«
»Okay, dann gehen wir nach oben, um nachzusehen.«
Hinter jeder Tür konnte das Grauen lauern, und wir atmeten jedes Mal auf, wenn wir ein Zimmer leer fanden.
In der ersten Etage standen wir zunächst in einem leeren Raum. Danach blickten wir in eine Dusche und Toilette, in der ebenfalls alles normal war. Und dann lag noch eine Tür vor uns. Wir hatten sie noch nicht geöffnet, aber wir wussten Bescheid. Das hier war das Zimmer Grace Taylors.
Ich zog meine Waffe, und nicht nur meine Augen blickten in das Zimmer, auch die Mündung der Beretta tat
Weitere Kostenlose Bücher