1583 - Assungas tödlicher Liebling
befreien. So müssen wir weiterhin davon ausgehen, dass sie dich und auch uns vor ihren Karren gespannt hat. Sie will Mallmanns Armee schwächen, und das nicht in seiner Welt, sondern hier im Hexenkessel London. Toll, sage ich nur.«
»Ja, ich wusste auch nicht, wohin ich geraten bin. Es ist aber nicht zu ändern. Sie sind mir auf den Fersen. Sie wollen mich vernichten. Ich habe sehr viel über ihre Vampirwelt herausgefunden. Das kann ihnen nicht gefallen.«
»Und dabei hätte dich Assunga beschützen müssen«, sagte Suko. »Sie hat es nicht getan, und darüber würde ich an deiner Stelle mal nachdenken.«
Rosalie stand auch jetzt noch voll auf der anderen Seite. »Assunga meint es gut mit mir. Ich lasse keinen Keil zwischen uns treiben. Sie hat mich in ein neues Leben geführt: Und wehrlos bin ich auch nicht. In mir lodert das Hexenfeuer.«
Ich hob die Schultern. »Warum sollen wir dich dann noch beschützen, wenn du so stark bist? Du kommst bestimmt allein zurecht. Oder nicht?«
»Sind Vampire nicht auch eure Feinde?« Ihre Stimme hatte fast höhnisch geklungen.
»Sind sie«, gab ich zu.
»Ja, und deshalb werdet ihr mir auch helfen, sie zu vernichten. Manchmal ist ihre Übermacht zu stark. Sie werden mein Blut nicht trinken, aber sie tragen Waffen bei sich, mit denen sie mir den Kopf abschlagen wollen.«
Jetzt war auch das letzte Rätsel geklärt. Im Tigergehege waren die beiden Stichwaffen gefunden worden. Jetzt brauchten wir nicht mehr zu spekulieren, warum sie dort gelegen hatten.
Sie stand auf. »Können wir jetzt gehen?«
»Und wohin?«, fragte Suko.
»Das weiß ich nicht. Es ist eure Stadt. Ich kenne mich hier nicht aus.«
»Am besten wäre es, wenn Assunga dich in ihre Hexenwelt zurückholt.«
»Erst, wenn meine Feuertaufe beendet ist. Sie will mehr über die Blutsauger wissen, und sie will, dass so viele von ihnen wie möglich vernichtet werden.« Sie nickte der Tür entgegen.
Wenn wir ehrlich waren, dann mussten wir zugeben, dass uns Rosalie in Zugzwang gebracht hatte.
Wir wussten wirklich nicht, wohin wir sie schaffen sollten. Der Knast kam nicht infrage. Assunga würde sie schnell wieder aus einer Zelle befreien.
Sie an eine einsame Stelle schaffen. Klar. Nur glaubten wir nicht, dass die Blutsauger so einfach aufgeben würden. Sie würden an Rosalie dranbleiben, und irgendwann würden sie zuschlagen und Rosalie köpfen.
Ich ging davon aus, dass die vor uns liegende Nacht eine Entscheidung bringen würde. Der Gedanke zwang mich dazu, einen Blick auf das Fenster zu werfen.
Ja, es war draußen schon grau geworden. Zwar war die Dunkelheit noch nicht ganz angebrochen, aber es würde nicht mehr lange dauern.
»Wann gehen wir endlich?«, fragte Rosalie, die unruhig geworden war.
»Jetzt!«, sagte ich.
»Gut. Darauf habe ich gewartet…«
***
Es war Suko, der die Tür öffnete und einen Blick in den Gang warf. Es war beileibe keine übertriebene Vorsicht, denn auch die Dämmerung war bereits die Zeit der Vampire.
Rosalie stand neben mir. Sie reichte mir nur bis zur Schulter. Ich konnte auf ihren Kopf schauen.
Ihre schmale Gestalt wirkte fast schutzbedürftig, doch davon durfte ich mich auf keinen Fall täuschen lassen. Sie hatte es uns schließlich verraten, welche unheimlichen Kräfte in ihr steckten.
Dass wir eine Mörderin beschützen sollten, gefiel mir ganz und gar nicht. Aber manchmal im Leben musste man einen kleinen Frosch schlucken, um die Kröte zu vernichten.
»Die Luft ist rein«, meldete Suko.
»Okay.« Ich schob Rosalie vor. Es war die erste Berührung zwischen uns.
Unter dem Stoff spürte ich ihre Haut, die eine normale Temperatur zeigte. Nichts deutete darauf hin, dass in ihrem Innern ein Hexenfeuer loderte. Es konnte auch sein, dass es gar nicht heiß war. Ein kaltes Feuer war mir ebenfalls bekannt, denn das stammte aus der Hölle, und ich hatte es schon einige Male löschen müssen.
Das Licht brannte auch weiterhin. Unsere Blicke waren auf den Beginn der Treppe gerichtet. Dort tat sich nichts.
Überhaupt war es recht ruhig in dieser Etage. Das wunderte mich, denn Hotels wie dieses galten oft als Lasterhöhlen, in denen es nie so richtig ruhig wurde. Besonders dann, wenn sie Stundenhotels waren.
Suko stieg die Treppe hinab. Sie führte in einem Bogen nach links. Von der Mitte der Treppe hatte er einen guten Blick in den Bereich des Empfangs, der nicht eben dazu reizte, in dieser Bude einzuchecken.
Suko ging weiter. Er wartete an der Ausgangstür auf uns und
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