1585 - Monsterfahrt
Haustür konnte ich nicht lesen. Ich ließ es mir von Roman übersetzen.
»Das bedeutet soviel wie Tränke.«
»Aha. Aber nicht für Tiere, denke ich.«
»So wird es sein. Ich kann mir vorstellen, dass es bei Ihnen auf der Insel Pub heißt.«
»Super. Dann gehen wir doch mal rein.«
Dagegen hatte niemand etwas einzuwenden.
Ich zog die Tür auf und betrat als Erster einen Raum, den ich persönlich mir nie als Stammkneipe ausgesucht hätte. Da gab es nichts, was Gemütlichkeit ausstrahlte.
Es gab eine Theke, auf der ein Bierfass aufgebockt war. In einem staubigen Regal standen einige Schnapsflaschen ohne Etikett, und die vier Tische nebst Stühlen sahen alles andere als einladend aus.
Die Decke des Raumes war so tief, dass ich das Gefühl hatte, den Kopf einziehen zu müssen. Der Geruch nach kaltem Rauch stand in der Luft. Nur einen Menschen, der uns etwas zu trinken hätte bringen können, bekamen wir nicht zu Gesicht.
»Da haben wir wohl Pech gehabt«, meinte Harry, der seine Ungeduld nicht verbergen konnte.
»Warte erst mal ab. Kann sein, dass der Besitzer gleich zurückkommt, nachdem er nebenan das Huhn oder die Ente geschlachtet hat.«
»Haha, du hast Humor.«
»Das muss man an solchen Orten schon.«
Wir hatten uns noch nicht gesetzt, als wir durch die halb offene Tür das Echo von Schritten vernahmen, und wenig später wurde die Tür bis zum Anschlag aufgedrückt.
Ein breitschultriger, recht kleiner und glatzköpfiger Mann betrat den Raum.
Überrascht schien er nicht zu sein, als er uns sah. Er lachte scharf und sagte etwas, was ich nicht verstand.
Harry lieferte mir die Übersetzung. »Man hat ihm schon gesagt, dass er Besuch hat. Der Straßenfunk funktioniert hier auch.«
»Und was meint er?«
»Warte mal ab.«
Der Glatzkopf redete schnell und schaute dabei die beiden Donkows an, als würde er sie kennen.
Das konnte zutreffen. Möglicherweise hatte er sie bei ihrem ersten Besuch bereits gesehen.
Nicht nur er redete, auch das Ehepaar blieb nicht stumm. So gab es ein Hin und Her in einer mir nicht vertrauten Sprache. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich wieder an Harry zu wenden.
»Was ist denn da los?«
»Der Typ will uns wohl nicht hier haben. Er meint, dass wir Unglück bringen.«
»Das hätte er besser jemandem gesagt, auf den es zutrifft.«
Es war vor allen Dingen Katja Donkow, die nicht zurücksteckte und auch das entscheidende Thema nicht vergaß, denn ich hörte, wie der Name Dolny fiel, und das passte dem Glatzkopf anscheinend ganz und gar nicht.
Er wehrte mit beiden Händen ab. Der Typ schien hier ebenso wenig gelitten zu sein wie wir.
Katja ließ sich nicht beirren. Sie sprach gut polnisch. Ihre Worte waren mit dem Geknatter einer Maschinenpistole zu vergleichen, so heftig redete sie auf den Mann ein, der ins Schwitzen geriet und mit beiden Armen herumfuchtelte.
Schließlich setzte er sich auf einen Stuhl und gab seine Antworten. Den Kopf hielt er dabei gesenkt, wie ein Mensch, dem alles unangenehm war.
Katja Donkow drehte sich zu uns um.
»Ein Ignorant«, sagte sie. »Einer von der übelsten Sorte. Aber ich habe seinen Panzer geknackt, indem ich ihm sagte, dass er vielleicht auch von dem Monster in Stücke gerissen wird, wenn er sich dumm stellt.«
»Und was hat er Ihnen gesagt?«, fragte Harry.
»Zum einen hat er Schiss vor Dolny. Den haben alle hier. Aber sie können ihn nicht loswerden. Er lebt schon ewig in Rynica. Selbst die ganz Alten kennen ihn seit ihrer Jugend.«
»Da war er dann ein Junge, oder?«
»Nein, Herr Sinclair, das ist ja das Problem. Die Alten behaupten, dass er schon immer so ausgesehen hat.«
Plötzlich klingelten in meinem Kopf die Alarmsirenen. Ich sah keinen Grund, dass uns dieser Mensch belogen hatte.
»Dann ist er wohl nicht älter geworden?«
»Darauf scheint es hinauszulaufen. Obwohl ich das nicht glauben kann«, fügte sie hinzu.
Das war aus ihrer Sicht verständlich. Ich allerdings dachte anders darüber.
Ein Mensch, der zwar aussah wie ein Mensch und der nicht alterte, konnte kein normaler Mensch sein.
Es gab allerdings Ausnahmen. Da hatte ich im Laufe der Jahre meine Erfahrungen machen können.
Diese Personen mussten nur mit der Kraft einer anderen Seite in Berührung kommen und sich ihr voll und ganz hingeben.
Dann klappte das schon.
Für mich stand jetzt fest, dass dieser Dolny kein normaler Mensch war. Und wenn das tatsächlich so sein sollte, dann war auch vorstellbar, dass er und die Bestie so etwas wie ein Team
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