1597 - Die Köpferin
sie sich auch nach dem Betreten des Hauses nicht beruhigt hatte.
Die Wände gaben ihr keine Sicherheit.
Allein im Haus zu sein machte ihr in der Regel nichts aus.
In dieser frühen Nachtstunde war es anders. Sie hatte einfach ein schlechtes Gefühl. Die Ruhe empfand sie als trügerisch.
Langsam und leise schritt sie die Treppe nach oben, wo ihre Wohnräume lagen. Sie schaltete das helle Licht ein, schaute in die Zimmer und sah sie so leer, wie es sein sollte.
Ob Justine Cavallo von ihrem Ausflug zurückgekehrt war, hatte sie nicht feststellen können. Die Vampirin kam und ging, wie sie wollte, ohne jemals ihrer Mitbewohnerin Bescheid zu sagen.
Sie bewohnte ein Zimmer im Haus. In das warf die Detektivin ebenfalls einen Blick.
Der Raum sah aus wie eine Höhle. Schuld daran waren vor allem die dunkel gestrichenen Wände. Selbst die Scheibe des Fensters war abgedunkelt.
Das leere Bett zeigte Jane, dass Justine nicht da war.
Sie durchsuchte das Haus weiter. Einen Keller gab es hier nicht, und so stieg sie die nächste Treppe hoch, die sie bis unter das Dach führte, wo es die schrägen Wände gab und sich Jane ihr Refugium geschaffen hatte.
Das Archiv hatte sie von der verstorbenen Horror-Oma Sarah Goldwyn übernommen. Bücher, Kassetten, CDs, die sich praktisch um ein Thema drehten. Horror. Mystik. Ungewöhnliche Vorfälle in der Welt. Aber es waren auch Filme vorhanden, die dieses Thema betrafen. Sobald ein neuer Horrorfilm als Kassette zu kaufen gewesen war, hatte Sarah Goldwyn ihn sich besorgt. Hätte sie noch gelebt, dann hätte sie die Kassetten bestimmt in DVDs umgetauscht. So blieben sie Jane Collins als Erbe erhalten.
Die Detektivin war froh, alles so vorzufinden, wie sie es verlassen hatte.
Nur konnte sie das auch nicht beruhigen, und darüber machte sie sich schon Gedanken. Sie fühlte sich beobachtet. Nicht hier innerhalb des Hauses, dafür von draußen.
Jane ging wieder nach unten. Die Rückseite des Hauses grenzte an einen geräumigen Innenhof, den sich die Besitzer und Mieter der umliegenden Häuser zu einem kleinen Paradies eingerichtet hatten, wo man sich bei schönem Wetter traf und in froher Runde zusammen saß.
Um diese Zeit war der Hof menschenleer.
In der unteren Etage betrat Jane Collins das Wohnzimmer, in dem sich Lady Sarah zu ihren Lebzeiten so wohl gefühlt hatte. Durch die Fenster hatte Jane einen guten Blick in den Innenhof.
Er war nicht völlig dunkel. Die Laternen waren von der Häusergemeinschaft bezahlt worden, doch in der Nacht brannten nicht alle. Nur zwei von ihnen gaben Licht ab. Soviel Jane erkannte, bewegte sich niemand in diesem Refugium. Das hätte sie eigentlich beruhigen müssen.
Aber ihre Unruhe steckte in ihr wie eine böse Vorahnung, und Jane wusste, dass sie in dieser Nacht keine Ruhe finden würde. Sie würde wahrscheinlich wie ein ruheloser Geist durch das Haus und die Zimmer wandern und unaufhörlich an den Überfall denken.
Da sie an der Rückseite nichts entdeckte hatte, wollte sie sich die Frontseite ansehen. Den besten Blick hatte sie von der Küche aus, die sie betrat. Sie schaltete kein Licht ein. So wurde sie nicht geblendet und hatte freie Sicht.
Jane trat an das Fenster heran. Die Umgebung draußen kam ihr vor wie ein bekanntes Bühnenbild. Sie sah den Vorgarten, der um diese Zeit kahl war, sie sah den Gehsteig, die Bäume, die abgestellten Wagen dazwischen und den feucht glänzenden Belag der Straße, auf dem sich nur wenig vom Schein der einsamen Laternen verirrte.
Die Straße war nicht völlig vom Verkehr abgesperrt. Das wirkte allerdings in der Nacht anders. Da lag sie in einer tiefen Ruhe, denn die Einwohner hielten sich allesamt in ihren Häusern und Wohnungen auf.
Laubreste lagen in den Vorgärten und auch in den Gossen.
Es ging niemand über den Gehsteig, und auch der Verkehr war eingeschlafen. Die übliche nächtliche Ruhe, und Jane musste keinen Verdacht schöpfen.
Sie hielt ihren Platz trotzdem bei. Manchmal rann ein Schauer über ihren Rücken. Sie dachte wieder an den Überfall und konnte sich nicht vorstellen, dass die Frau so schnell aufgeben würde. Eine wie sie war es sicher nicht gewohnt, Niederlagen einzustecken.
Es passierte schlagartig. Auch jetzt hatte Jane nicht gesehen, woher die beiden Personen so plötzlich gekommen waren. Aber es gab sie. Es war keine Täuschung.
Janes Haltung spannte sich. Noch befanden sich die beiden auf der Straße, doch es wies alles darauf hin, dass dieser Zustand nicht lange andauern
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