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16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Sonst noch Fragen?»
    «Ich glaube, das wäre vorläufig alles», sagte Inspector Craddock und erhob sich lächelnd. «Bitte entschuldigen Sie, dass wir Sie bemühen mussten.»
    Draußen sagte Sergeant Wetherall, ein Mann, der grundsätzlich jedermann das Schlimmste zutraute, bedeutsam:
    «Die Fragen haben ihm nicht geschmeckt – überhaupt nicht geschmeckt. Der war richtig ungehalten.»
    «Wenn man keinen Mord begangen hat», sagte Inspector Craddock milde, «dann ärgert es einen natürlich, wenn jemand anders einem genau das zu unterstellen scheint. Und besonders ärgert es einen angesehenen Menschen wie Harold Crackenthorpe. Das ist nicht weiter ungewöhnlich. Nur müssen wir jetzt herausfinden, ob irgendjemand an jenem Nachmittag Harold Crackenthorpe bei der Auktion oder in der Teestube gesehen hat. Er könnte ohne weiteres mit dem 16.33 gefahren sein, die Frau aus dem Zug gestoßen haben, mit dem nächsten Zug nach London zurückgefahren und rechtzeitig beim Souper gewesen sein. Genauso könnte er abends mit dem Auto hinausgefahren sein, die Leiche in den Sarkophag verfrachtet haben und zurückgefahren sein. Ziehen Sie bei diesen Kutscherhäuschen Erkundigungen ein.»
    «Ja, Sir. Glauben Sie, er war es?»
    «Woher soll ich das wissen?», fragte Inspector Craddock. «Er ist ein groß gewachsener dunkler Mann. Er könnte im Zug gesessen haben, und er hat eine Verbindung nach Rutherford Hall. Ergo gehört er zu den Tatverdächtigen. Und nun zu Bruder Alfred.»
     
    II
     
    Alfred Crackenthorpe wohnte in West Hampstead in einem großen Neubau, der schlampig gebaut schien und in dessen großem Hof die Anlieger ihre Autos abstellten, ohne besondere Rücksicht auf andere zu nehmen.
    Die Wohnung war eine moderne Einliegerwohnung und offenbar möbliert gemietet worden. Sie enthielt einen langen Sperrholztisch, der sich an die Wand klappen ließ, eine Liege und mehrere Stühle von unmöglichen Proportionen.
    Alfred Crackenthorpe öffnete ihnen beflissen, aber der Inspector spürte seine Nervosität.
    «Na, da bin ich aber gespannt», sagte Alfred. «Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Inspector Craddock?» Einladend hielt er verschiedene Flaschen hoch.
    «Nein danke, Mr. Crackenthorpe.»
    «O je, so schlimm?» Er lachte über seinen kleinen Scherz und erkundigte sich, worum es gehe.
    Inspector Craddock sagte sein Sprüchlein auf.
    «Was ich am Nachmittag und Abend des 20. Dezember gemacht habe? Woher soll ich das wissen? Aber das – das ist ja über drei Wochen her.»
    «Ihr Bruder Harold konnte es uns sehr genau sagen.»
    «Bruder Harold vielleicht. Bruder Alfred nicht.» Mit einem Unterton, der Neid sein mochte, fügte er hinzu: «Harold ist der Erfolgreiche in der Familie – rührig, nützlich, voll ausgelastet – alles zu seiner Zeit, aber dann muss auch alles stattfinden. Selbst wenn er – nur mal angenommen – einen Mord begehen wollte, würde er ihn zeitlich ganz genau planen.»
    «Wie kommen Sie auf dieses Beispiel?»
    «Keine Ahnung. Es fiel mir grade ein – als besonders entlegenes Beispiel.»
    «Nun zu Ihnen.»
    Alfred breitete die Hände aus.
    «Wie gesagt – ich kann mich an Zeiten oder Orte nicht erinnern. Hätten Sie Weihnachten gesagt, dann könnte ich Ihre Frage beantworten, denn dann hätte ich einen Anhaltspunkt. Ich weiß, wo ich Weihnachten verbracht habe, nämlich bei meinem Vater in Brackhampton. Warum, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Er schimpft über die Kosten, die wir ihm machen – und würde schimpfen, dass wir ihn nie besuchen, wenn wir nicht kämen. Eigentlich machen wir es nur meiner Schwester zuliebe.»
    «Wie auch dieses Mal.»
    «Ja.»
    «Aber Ihr Vater wurde dummerweise krank, nicht wahr?»
    Craddock verfolgte bewusst eine Nebensache, von einer Intuition geleitet, die ihm beruflich schon oft geholfen hatte.
    «Ja, er wurde krank. Da er sich aus seiner glorreichen Sparsamkeit heraus wie ein Sperling ernährt, forderten das plötzliche Sattessen und Trinken ihren Tribut.»
    «Und das war alles, ja?»
    «Natürlich. Was sollte sonst gewesen sein?»
    «Ich habe gehört, der Arzt habe sich – Sorgen gemacht.»
    «Ach, Quimper, dieser alte Narr.» Alfred sprach schnell und verächtlich. «Hören Sie bloß nicht auf den, Inspector. Das ist eine Kassandra übelster Sorte.»
    «Ja? Mir kam er ganz vernünftig vor.»
    «Er ist ein absoluter Narr. Vater ist eigentlich gar kein Invalide, seinem Herz geht es bestens, aber er folgt Quimper aufs Wort. Als es ihm schlecht ging, hat er

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