160 - Die Schrecken von Kabuul
verbrannt sein, erfüllte sie mit grimmiger Freude.
Vor einem erleuchteten Fenster wischte sie sich das Wasser aus dem Gesicht und betrachtete ihre Handfläche. Schwarz. Es regnete schwarzes Wasser…!
Bei Wudan… sei froh, dass du nicht mehr über diese Welt gehen musst, Maddrax, mein Geliebter …
Vor ihrem Haus stieg sie aus dem Sattel und zog Rapushnik in den angebauten Stall. Es duftete nach Heu darin. Vom Stall aus führte eine Tür ins Haus. Sie schloss auf und trat ein.
»Kein Licht!«, zischte eine Stimme…
***
Die Flüche der Männer, ihr Kampfgeschrei und das Klirren ihrer Säbel blieben zurück. Er hatte es sowieso kaum gehört, hatte nur Ohren für den Hufschlag des Kamshaa-Bullen.
Wohin trug er die Schöne? Wohin nur?
Al'Steiners Mauler trottete müde durch die Gassen. So oft er ihm auch die Krücken gegen die Hinterflanken klopfte, er wurde höchstens noch langsamer. Der Galopp über den Platz hatte das Tier erschöpft, wie es schien. Al'Steiner begann zu jammern und zu heulen, als sich der Hufschlag des Kamshaas mehr und mehr verlor. In die Dunkelheit lauschend, folgte er dem Geräusch dennoch so lange, wie er es hören konnte.
Irgendwo im Ostviertel zwischen Ruinen, alten Häusern und neuen Hütten verstummte es schließlich ganz.
Brabbelnd und jammernd stieg er vom Maulerrücken und blickte sich um. Im ersten Licht des neuen Morgens entdeckte er eine Anhöhe aus Schutt und Trümmern. Eine Morgenbrise fuhr in die Büsche, die darauf wuchsen, und bog das trockene Gras in den Dreck. Al'Steiner stieg auf den kleinen Hügel und zerrte den Mauler hinter sich her. Oben band er das Tier an einem Busch fest. Es begann die Blätter abzuweiden.
Al'Steiner selbst wickelte sich in seinen Mantel und setzte sich ins Gras. Seltsam warmer Wind kam auf. Es fing an zu regnen. Gleichgültig – hier würde er sitzen und warten, bis er den Hufschlag ihres Kamshaa-Bullen wieder hörte.
Irgendwann würde sie ihre Behausung verlassen, irgendwann wieder ausreiten. Er steckte sich einen Würfel SAK zwischen die Zähne…
***
Breitbeinig und mit gezücktem Schwert stand Aruula im fast dunklen Zimmer. Da bewegte sich ein Schatten neben ihrem Lager; nein – zwei Schatten.
»Tu uns nichts, bitte…«, wimmerte eine Frauenstimme.
»Wir sind in Not, sie wollen uns töten…« Es war die Stimme des Räuberweibes. Aruula hatte sie im Lauf der vergangenen Woche ein paar Mal an ihrem Krankenlager besucht.
»Wer will euch töten?«
»Frag lieber, wer uns nicht töten will.« Die Stimme des Räubers, den sie vor neun oder zehn Tage zuvor mit einem Stein bewusstlos geschlagen hatte. Das war noch in einem anderen Leben gewesen – bei Wudan, in einem besseren Leben! »Das können wir leichter beantworten.«
»Und ihr flieht in mein Haus? Wer sagt euch, dass ich euch nicht auch töten will?«
»Hab ich's nicht gesagt?«, knurrte die Männerstimme.
»Weil du mich aus den Fängen der Taratzen gerettet hast«, sagte die Frau. Ihre Stimme zitterte.
Aruula ließ ihr Schwert sinken und setzte sich auf den Boden unter dem Fenster. »Und warum soll ich keine Öllampe entzünden?«
»Weiß man, ob sie das Haus nicht überwachen?« , fragte die Frau. Wie hatte der Heiler sie gleich genannt? Gebra, richtig.
»Jeder weiß, dass es Bin Theodor gehört hat.«
»Gehört hat?«
»Er ist tot…« Gebra begann zu schluchzen. »Erzähl du, Kara Bin Paali.«
»Toorsten Al'Myller hat ihn getötet…« Während der Mann berichtete, enthüllte das Licht des anbrechenden Morgens die Konturen seines kräftigen Körpers immer deutlicher. Auch den Armstumpf der Frau konnte Aruula jetzt erkennen.
»Und warum sind sie hinter euch her?«, wollte die Kriegerin von den Dreizehn Inseln wissen.
»Ich bin die Tochter des Calli…« Wieder brach Gebra die Stimme. »Erzähle du, Kara Bin Paali, bitte …«
»Sie wechselte die Seiten«, begann er wieder. »Sie heiratete den General…« Zum ersten Mal erfuhr Aruula vom Anführer der WEER. Gebra war zwei Jahre lang seine Frau gewesen, bis sie heimlich vom SAK probierte. Sie fand die Droge in den Lagern der WEER und in den Pressen und Kesseln auf dem Innenhof ihres »Hauptquartiers«, wie sie den Ruinenkomplex nannten, von dem aus sie ihre Geschäfte machten. »Gebra wurde süchtig, stahl der WEER viele Kisten SAK und wollte in eine andere Ruinenstadt fliehen, um dort Geschäfte auf eigene Faust zu machen.«
Während Bin Paali berichtete, rollte Aruula den Teppich vor ihrem Lager zusammen, nahm
Weitere Kostenlose Bücher