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160 - Die Schrecken von Kabuul

160 - Die Schrecken von Kabuul

Titel: 160 - Die Schrecken von Kabuul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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grünen Bart.
    Auf einmal ging eine Bewegung durch die Menge. Eine Gasse bildete sich, die ein einzelner Mann durchschritt, ein Turbanträger. »Haltet sie!«, rief er. »Zur Steinigung mit ihr!«
    Es war jener Turbanträger, den alle nur Calli Eff nannten – ein Titel oder ein Name? Aruula wusste es nicht – sie wusste nur, dass es jener Typ war, dem sie am ersten Tag die Peitsche aus der Hand geschlagen hatte, was sie nicht zu seiner Freundin machte. »Runter vom Kamshaa mit ihr!« Mit einer neuen Peitsche deutete er auf sie.
    Sie zog ihr Schwert und klopfte ihre Stiefelfersen in Rapushniks Flanken. »Weg hier, Pushnik!« Der Kamshaa-Bulle ließ sich das nicht zweimal sagen, das Feuer war ihm sowieso nicht geheuer. Er drehte bei und trabte zurück auf den Platz des Kometen.
    »Haltet sie auf!« Calli Eff war außer sich. »Sie hat einen Calli Gottes angegriffen! Sie muss gesteinigt werden!«
    Aruula sah zurück – der Schreihals kletterte auf den Rücken eines Maulers, und auch einige der jungen Turbanträger bequemten sich, ihre Reittiere zu besteigen. Ein Reiter folgte ihr bereits. Er winkte und brabbelte: »Frau, da, da…!«
    Freundlicherweise fiel Rapushnik in einen Galopp. Seine Hufe trommelten über den steinigen Boden des großen Platzes, seine Höcker schwankten hin und her, und Aruula umklammerte den vorderen und duckte sich tief über die Kamshaa-Mähne. »Nicht so schnell, Pushnik!« Panik schnürte ihr die Kehle zu. Ihr war übel, sie hatte Angst, aus dem Sattel zu stürzen. »Bitte…!«
    Der Kamshaa-Bulle jedoch deutete ihre Schreie als Anfeuerung. Immer schneller galoppierte er der Gasse entgegen, durch die er während der vergangenen acht Tage zu einem Haus für seine Herrin und zu einem warmen Unterstand für sich selbst gelangt war.
    Über die Schulter blickte Aruula erneut zurück – auf breiter Front rückten ihre Verfolger heran, vorneweg der alte Steiner.
    Er kicherte und winkte. Calli Eff, dicht hinter ihm, schwang die Peitsche und brüllte.
    Aruula umklammerte den vorderen Höcker. Ihr war übel.
    Noch vierzig Schritte bis zur Einmündung der Gasse. Gestalten lösten sich von den dunklen Fassaden. Taratzen!
    »Neetu!« Aruula tastete nach ihrem dem Knauf ihres Schwertes. »Halt an, Pushnik!«
    Der Kamshaa-Bulle dachte nicht daran. In gestrecktem Galopp jagte er den Biestern entgegen. Es waren zwanzig oder dreißig schwarze Taratzen mit roten oder gelben Köpfen. Was taten sie da? Sie zogen Karren in Richtung Gasse! Sie errichteten eine Sperre, um sie zu erwischen, um sie ein für alle Mal zu erledigen!
    »Anhalten!« Kalter Schweiß brach ihr aus. Den immer näher rückenden Hufschlag hinter sich und eine Straßensperre vor sich, wünschte die Frau von den Dreizehn Inseln nur noch, dass alles schnell gehen mochte; schnell und möglichst schmerzlos.
    Nur eine schmale Lücke war noch offen zwischen den Karren. Aruula schloss die Augen und drückte ihr Gesicht in den warmen Kamshaa-Höcker.
    Das Getrommel von Rapushniks Hufen veränderte sich, klang mit einem Mal lauter, hallte stärker von den Fassaden wider; der Hufschlag hinter Aruula blieb zurück.
    Sie öffnete die Augen – erleuchtete Fenster in dunklen Fassaden flogen an ihr vorbei. Sie sah zurück – die Lücke in der Karrensperre hatte sich geschlossen. Sie hörte Säbelrasseln, doch auch das verebbte bald in der Nacht. Rapushnik bog in eine Gasse ein und fiel aus dem Galopp allmählich in einen trabenden Schritt.
    Stocksteif hockte Aruula im Sattel. Hatten ihre Sinne sie schon wieder getäuscht? Waren es keine Taratzen, sondern Angehörige der WEER gewesen, die Calli Eff und seine Dalliwaan aufgehalten hatten? Aber warum tat Toorsten Al'Myller so etwas für sie?
    Solche Gedanken rotierten in ihrem Schädel, während der Kamshaa-Bulle sie zu ihrem Haus trug. Es begann zu regnen.
    Im Osten zeigte sich der erste milchige Streifen des neuen Tages. Die Konturen der Berggipfel zeichneten sich im Morgengrauen ab. Sie schauderte, als sie daran dachte, in ein paar Stunden zu jenem Pass aufzubrechen. Dort oben, in den Bergen, würde es wohl schneien statt regnen.
    Das Verlangen nach SAK meldete sich. Zunächst nur als Kribbeln unter der Zunge, doch schnell brannten ihre Adern vor Verlangen. Sie konnte an nichts anderes mehr denken als an die vier Kisten unter den Bodendielen.
    »Verfluchte Stadt«, murmelte sie. »Wären wir bloß niemals in diese Ruinen geritten! Wäre ich doch niemals Bin Theodor begegnet…« Der Gedanke, er könnte

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