160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
Person zu halten schien.
„Reden Sie doch keinen Unsinn“, sagte Abby mit ihrer Viscountess-Stimme, die auch Spencer seit kurzem von ihr zu hören bekam. „Ich wusste, dass wir für den Nachmittag eingeladen waren, hatte aber die genaue Zeit vergessen.“
Evelina, die einfühlsamer war als ihre Mutter, schien nicht überzeugt zu sein. „Hast du denn überhaupt schon etwas gegessen?“
„Natürlich. Wer würde denn so lange auf seine erste Mahlzeit warten wollen?“
Clara musste bei ihren Lektionen vergessen haben zu erwähnen, dass man in besseren Kreisen erst nachmittags frühstückte. Abby konnte nur hoffen, dass die Besorgungen der Tyndales sie auch in eine Bäckerei führten!
Aber sie sollte kein Glück haben. Zuerst suchten sie den Pfarrer auf, um mit ihm die Hochzeitszeremonie zu besprechen. Dort bekamen sie nur eine Tasse Tee angeboten. Vielleicht war es ja eine Unsitte, vormittags zu essen. Danach gingen sie zum Schneider und maßen Evelinas Kleid an, bis es auch wirklich perfekt passte.
„Das ist zum Glück überstanden“, seufzte Evelina, als sie wieder in der Kutsche Platz genommen hatten. „Jetzt können wir zu Lady Brumley fahren.“
„Es ist doch viel zu früh“, wandte ihre Mutter entschieden ein. „Niemand wird vor drei da sein. Wir könnten noch zum Hutmacher fahren und schauen, wie weit sie mit deinem Schleier sind.“
Drei! „Aber wir müssen auch noch Spencer abholen“, sagte Abby schnell.
Zum Glück gab Lady Tyndale sich geschlagen. Allerdings mussten sie dann eine halbe Stunde auf Spencer warten, bis er endlich die Treppen des Innenministeriums heruntergeeilt kam.
„Guten Tag, die Damen“, begrüßte er sie, als er in die Kutsche stieg und sich neben Abby setzte. „Es tut mir Leid, dass Sie warten mussten, aber ich habe Sie nicht so früh erwartet.“
„Ihre Frau ist schon in großer Sorge, dass wir zu spät zu dem Frühstück kommen könnten“, bemerkte Lady Tyndale süffisant. „Ich habe ihr erklärt, dass niemand pünktlich ist, aber … .“
Abby rang sich Spencer zuliebe ein Lächeln ab. „Ich möchte Lady Brumley nicht vor den Kopf stoßen.“ Oder verhungern. Aber sie konnte natürlich Spencer gegenüber ihren Fehler nicht eingestehen. Eine ganze Woche lang hatte sie hart an ihrer vornehmen englischen Art gearbeitet – unmöglich, das jetzt zu ruinieren!
Lady Tyndale schnaubte. „Das würde die Marquise nicht stören, wirklich nicht, meine Liebe. Ihr Amerikaner habt schon seltsame Vorstellungen …“
Abby bedachte Lady Tyndale mit einem kühlen Lächeln und überlegte krampfhaft nach einer eleganten Redewendung, um das Thema zu wechseln. Evelina kam ihr zuvor und erkundigte sich bei Spencer, ob er denn seine Arbeit habe erledigen können.
Spencer schien mit großer Erleichterung auf die Frage einzugehen. „Ja. Wenn sonst niemand im Ministerium ist, schaffe ich viel mehr als gewöhnlich.“
„Sie armer Mann! Sie arbeiten einfach zu viel.“ Lady Tyndale warf Abby einen viel sagenden Blick zu.
Ihre Kritik war offensichtlich. Frisch verheiratete Gentlemen sollten sich zu Hause bei ihren Frauen so wohl fühlen, dass sie gar nicht auf die Idee kamen, am Wochenende zu arbeiten.
„Meine Arbeit macht mir Spaß“, entgegnete Spencer knapp. „Und vor der Parlamentspause gibt es noch viel zu tun.“
Damit war Lady Tyndales Versuchen, Abby vor ihrem Mann herabzusetzen, ein Ende gesetzt. Im Wagen trat eine unangenehme Stille ein.
Unruhig setzte Spencer sich auf seinem Platz neben Abby zurecht. Ihre Knie berührten sich, und sie warf ihm einen verstohlenen Bück zu.
Sein Gesichtsausdruck war genauso finster und unnahbar, wie er die ganze letzte Woche gewesen war, aber davon abgesehen, war Spencer eine Augenweide … Abby errötete, als sie merkte, dass Evelina sie beobachtete.
Die junge Frau lächelte. „Sieht Abby heute nicht bezaubernd aus?“ fragte sie Spencer.
Er musterte Abby flüchtig. „Ja, in der Tat.“
Evelina schien verärgert. „Ich finde, mit diesem Turban siehst du sehr elegant aus“, versicherte sie Abby. „Ist er neu?“
Abby nickte. „Lady Brumley hat mir geholfen, ihn auszusuchen.“ Sie berührte mit ihrer Hand den weißen Satin. Als Spencers Miene sich noch mehr verfinsterte, fügte sie hinzu: „Mr. McFee meinte, ich sähe wie eine englische Lady aus.“
Spencer schaute aus dem Fenster und murmelte: „Da hat er Recht – du siehst aus, du verhältst dich und du hörst dich an wie eine englische Lady.“
Sein scharfer
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