160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
Miss Mercers Kommen wusstest?“
„Natürlich. Es ist Teil meines Planes.“
Evelina betrachtete ihn zweifelnd. „Was für ein Plan? Nathaniel Law, wenn du mir nicht sofort mitteilst, warum Miss Mercer hier ist, werde ich den Hausdiener rufen, damit er dich aus dem Garten wirft!“ Mit einem schmerzlichen Gesichtsausdruck griff Nathaniel nach Evelina, aber sie wehrte ihn ab. „Zuerst erklärst du alles. Dann werde ich entscheiden, ob ich dir verzeihen kann. Momentan bin ich mir dessen nicht so sicher.“
Er verzog das Gesicht. „Also gut. Aber lass mich dir eins vorab sagen: Ich liebe dich. Ich habe dich immer geliebt. Sobald ich es einrichten kann, werden wir heiraten. Aber du musst Geduld haben, mein Liebling. Denn ob es dir gefällt oder nicht, damit mein Plan funktionieren kann, muss ich für eine Weile verschwinden.“
„So, musst du das?“ Sie verschränkte die Arme wieder vor der Brust. „Dann möchte ich jetzt von dir eine wirklich gute Erklärung dafür hören.“
4. KAPITEL
Sollte ein Amerikaner bei Ihrer Herrschaft zu Besuch sein, erwarten Sie nicht, dass er sich verhält wie ein Engländer. Amerikaner sind eine ganz eigene Spezies und müssen mit Vorsicht behandelt werden. Empfehlungen für den unerschütterlichen Diener
Am Morgen nach dem verhängnisvollen Verlobungsdiner saß Spencer am Frühstückstisch und wartete auf Miss Mercer. Die Times lag bereit, sein Kaffee war heiß und stark, und die gekochten Eier waren gerade richtig. Aber er konnte an nichts anderes als an Abby Mercer denken und daran, wie sie wohl auf seinen Vorschlag reagieren würde.
Wahrscheinlich würde sie erleichtert sein, ihre finanzielle Notlage behoben zu sehen. Andererseits war Miss Mercer so völlig anders als englische Frauen. In ihr steckte zweifellos eine gute Portion amerikanischer Unabhängigkeit!
Nachdem er alle möglichen Wege aus dieser misslichen Lage abgewogen und verworfen hatte, sah er nur noch diese eine Möglichkeit. Evelina hatte schon falsche Schlüsse aus der Situation gezogen. Und es war nur eine Frage der Zeit, wann auch andere Leute dies tun würden. Er musste schnell handeln, um einen Skandal zu vermeiden.
Was auch immer passierte, die Wahrheit durfte nicht an die Öffentlichkeit dringen. Zu viele Menschen würden in Mitleidenschaft gezogen werden: Evelina, ihre Mutter, Miss Mercer. Nat auch, natürlich, aber im Moment war dessen Wohlergehen für Spencer zweitrangig.
Sein Butler McFee betrat das Frühstückszimmer. Er schien ausnahmsweise einmal die Fassung verloren zu haben – und er kam allein.
„Nun?“ fragte Spencer. „Wo ist Miss Mercer?“
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Mylord, aber … wir können sie nicht finden.“
In Spencer regte sich ein leichtes Unbehagen. „Sie können sie nicht finden? Was soll das heißen?“
„Die Dame ist nicht in ihren Gemächern. Und dieser Drache, den sie ihre Dienerin nennt, will nicht verraten, wohin sie gegangen ist.“
Spencer erhob sich von seinem Stuhl. „Aber Sie sind sich sicher, dass sie nicht im Haus ist? Sie haben alle Zimmer durchsucht und auch in der Küche nachgeschaut?“
„Die Suche dauert noch an, Mylord. Ich dachte nur, ich sage Ihnen lieber schon Bescheid, dass wir Probleme haben, sie zu finden.“
Zum Teufel, was nun? Es sah Miss Mercer nicht ähnlich, sich auf eigene Faust auf die Suche nach seinem Bruder zu begeben. Und falls doch … würde sie ihre Dienerin zurücklassen? Das erschien ihm unwahrscheinlich.
„Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten“, fuhr McFee fort, „amerikanische Frauen sind etwas unabhängiger als englische. Vielleicht macht sie einen kleinen Morgenspaziergang.“
„Allein? In einer fremden Stadt? So etwas Unbesonnenes sollte sie besser nicht tun.“ Da er sich nicht länger darauf verlassen wollte, dass sein Personal Miss Mercer fand, ging er schnellen Schrittes zur Tür, wo er beinahe mit einem der Hausdiener zusammengestoßen wäre.
„Wir haben sie gefunden!“ verkündete der junge Mann und erblasste, als er seinen Herrn so dicht vor sich erblickte. „Ich bitte um Verzeihung, Mylord. Wir … äh … haben Ihren Gast gefunden. Die Dame ist im Garten.“
Aber natürlich! Wohin sollte eine amerikanische „Wildrose“ auch sonst gehen?
„Danke“, sagte Spencer, als er in Richtung Garten davoneilte. Er kam sich jetzt lächerlich vor, dass er sich solche Sorgen gemacht hatte. Aber die Vorstellung, dass Miss Mercer allein und ohne Geld durch Londons Straßen irrte
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