160 - Martin, Deborah - Die amerikanische Braut
Ferntrauung üblich.“ Er fuhr ihr beruhigend über den Rücken, während er nach einem Taschentuch suchte. Mr. McFee sprang ihm hilfreich zur Seite und steckte Spencer diskret eines zu, der es dann Evelina gab. „Komm schon. Es besteht kein Grund zu weinen. Mein Bruder liebt dich wie ein Verrückter, das weiß ich.“
„Warum war er dann nicht da?“ Sie schnauzte in Mr. McFees Taschentuch und wünschte, sie müsste sich nicht so undamenhaft vor Spencer benehmen.
Er hob ihr Kinn, damit sie ihn anschaute. „Wie ich gesagt habe: Nat ist in diese Sache mit dem Taschendieb verwickelt worden.“
„Du willst mir nicht erzählen, was wirklich passiert ist, oder?“
„Es gibt nichts zu erzählen. Du sorgst dich ganz ohne Grund.“
Sie schluckte die Tränen hinunter und rang um Fassung. Sie wollte seiner Geschichte mit dem Taschendieb ja gerne Glauben schenken. Es klang nur so unwahrscheinlich!
Aber Spencer würde sie niemals in sein Vertrauen ziehen. Er dachte, er müsse sie vor der Wahrheit beschützen.
„Lassen wir es dabei.“ Sie bückte zu Boden. „Aber wenn Nathaniel hier auftaucht, um Miss Mercer zu sehen, wirst du mich das wissen lassen, nicht wahr?“
„Ich kann dir versichern, dass nichts dergleichen …“
„Versprich einfach, mir Bescheid zu geben.“
Spencer seufzte. „Ja, ich sage dir Bescheid. Aber geh jetzt lieber, deine Mutter wartet.“
Sie tupfte ihre Augen mit dem Taschentuch ab und nickte. Dann eilte sie zu der wartenden Kutsche.
Die Fahrt nach Hause erschien Evelina endlos. Mama redete die ganze Zeit von Spencers neuer Frau und schien keinerlei Verbindung zwischen Nats geheimnisvollem Verschwinden und Miss Mercers geheimnisvollem Auftauchen zu sehen. Aber Evelina war sich sicher, dass die beiden Ereignisse zusammenhingen.
Und jetzt, wo sie und Nathaniel schon … Oh weh! Die Möglichkeit, dass Nathaniel sie nicht lieben könnte, war zu schrecklich, um überhaupt in Betracht gezogen zu werden.
Als sie zu Hause ankamen, plapperte Mama noch immer vor sich hin, weshalb es ihr wahrscheinlich auch entging, dass der Hausdiener Evelina eine Nachricht in die Hand drückte, als er ihr aus dem Mantel half.
Sie warf einen leicht verstohlenen Blick darauf. Die Nachricht war kurz: Komm so bald wie möglich zu mir in den Garten. Obwohl eine Unterschrift fehlte, erkannte Evelina Nathaniels Schrift sofort.
Ihr Herz schlug schneller. „Mama, ich gehe noch kurz in den Garten, bevor ich mich hinlege.“ Als ihre Mutter sie fragend musterte, fügte sie hinzu: „Ich habe zu viel Wein getrunken und brauche noch etwas frische Luft, um schlafen zu können.“
Diese Erklärung schien zum Glück zu genügen, denn ihre Mutter zuckte mit den Schultern und sagte: „Geh nur. Aber bleib nicht zu lange draußen. Von der kühlen Luft kannst du Kopfschmerzen bekommen.“
„Ich beeile mich“, erwiderte Evelina hastig und war schon auf halbem Weg durch die Halle zum Hintereingang. Als sie in den Garten trat, sah sie zunächst gar nichts. Was, wenn er schon wieder gegangen war? Wer weiß, wie viel Zeit schon vergangen sein mochte, seit er dem Hausdiener die Nachricht gegeben hatte … vielleicht war er es leid gewesen, auf sie zu warten …
Plötzlich griff eine Hand nach ihr und zog sie hinter einen Baum. Evelina fand sich in Nats Armen wieder und wurde so hingebungsvoll geküsst, dass sie alles um sich herum vergaß. Erst als Nats Umarmung leidenschaftlicher wurde, kam sie wieder zur Besinnung.
Aufgebracht stieß Evelina ihn von sich. „Wie kannst du es wagen, hier aufzutauchen, als sei nichts passiert? Wie kannst du nur!“
Nat hob beschwichtigend die Hände. „Ich weiß, meine Liebste, ich weiß. Ich habe mich sehr schlecht benommen. Aber ich hatte keine Gelegenheit, dir Bescheid zu geben. Als mein Bote mich über Miss Mercers Ankunft informierte …“
„Ich wusste, dass diese Frau dahinter steckt! Sie ist deine Geliebte, nicht wahr? Und du glaubst, dass du sie hier vor meinen Augen …“
„Meine Geliebte?“ fragte er lachend. „Miss Mercer? Du machst Witze. Warum denkst du, sie sei meine Geliebte?“
Evelina schmollte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast mir erzählt, sie wäre hässlich, aber sie ist alles andere als hässlich. Sie taucht bei unserem Verlobungsdiner auf, und du verschwindest. Ich finde das ziemlich eindeutig.“
„Ich schwöre, dass das ein Zufall war. Ich habe erst nächste Woche mit ihrer Ankunft gerechnet.“
„Du willst damit sagen, dass du von
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