1605 - Blutnacht - Liebesnacht
fuhr dann Dagmar an: »Du hast wohl nicht alle stramm, du - du…«
»Dann eben nicht.« Dagmar reagierte ohne Vorwarnung und gewissermaßen aus dem Stand heraus. Plötzlich tauchte sie vor Moni auf, die ihre Arme zur Abwehr hochriss, was ihr aber nichts half, denn Dagmar trat zu, und sie erwischte dabei das Standbein des Mädchens.
Sofort kippte Moni zur Seite. Sie landete im weichen Schnee und war so überrascht, dass sie liegen blieb und nichts tat.
Das war meine Chance. Ein langer Schritt brachte mich dicht an sie heran. Ich warf sie auf den Rücken, und sie wehrte sich noch immer nicht. Erst als ihre Handgelenke gefesselt waren, erlebten wir so etwas wie eine Reaktion.
Sie fing an zu trampeln. Sie drosch ihre Stiefelsohlen gegen die Schneekruste und erreichte trotzdem nichts. Ich zerrte sie auf die Beine und stieß sie Dagmar entgegen.
Die ging auch nicht eben zart mit ihr um und schüttelte sie heftig.
»Hör zu, Moni. Es geht einzig und allein um deine Sicherheit, und dafür werde ich jetzt sorgen. Du wirst mit mir den Friedhof verlassen und in meinen Wagen steigen. Da werden wir so lange warten, bis dieser Darius erledigt ist. Ist das klar?«
»Scheiße!«
»Ob das klar ist?«
»Ja, ich habe verstanden.«
»Dann komm mit.« Dagmar drehte Moni herum und warf mir einen knappen Blick zu.
Erst als ich nickte, zog sie die Widerspenstige fort. Ich hoffte, dass wir uns damit ein wenig Luft verschafft hatten, denn es würde noch genug auf uns zukommen.
Allerdings bekam ich eine Befürchtung nicht mehr aus meinen Gedanken. Es hatte hier einen ziemlichen Streit gegeben, und in der Stille war das bestimmt auch jenseits des Friedhofs gehört worden.
Hoffentlich nicht von Darius…
***
Sie waren unterwegs!
Von ihrem Verlies aus waren sie in die Kälte der anbrechenden Nacht gegangen. Als sie ins Freie getreten waren, hatte sich Anne Höller kurz umgeschaut und tatsächlich festgestellt, dass sie sich auf dem Gelände einer Burgruine befanden. Diese lag in einem kleinen Tal, das sie durchschreiten mussten.
Von der Kälte spürten sie nichts. Auch wenn es stürmisch gewesen wäre und sie nichts anzuziehen gehabt hätten, wäre keiner von ihnen erfroren.
Kalt und warm existierten für diese Wesen nicht, die trotzdem aussahen wie normale Menschen. Das machte sie eben so gefährlich, denn so konnten sie ihre wahre Existenz verbergen.
Beide gingen hintereinander her. Anne lief in den Spuren, die Darius hinterließ. Sie starrte zu Boden, ohne die Abdrücke richtig zu sehen, denn ihre Gedanken drehten sich um ganz andere Dinge. Sie wartete darauf, sich endlich mit dem fremden Blut füllen zu können. Nur das und nichts anderes zählte. Warmes Menschenblut in ihre ausgetrockneten Adern fließen zu lassen, danach strebte sie. Immer wieder und auch immer häufiger bewegte sie ihre Lippen, sodass schmatzende Laute zu hören waren, die den Vampir vor ihr jedoch nicht störten.
Kraftvoll ging Darius seinen Weg. Er hatte das Spiel in Gang gebracht und sah sich als der große Sieger.
Sie gelangten allmählich aus dem Tal und mussten noch einen leichten Anstieg hinter sich bringen.
Es war für die ausgehungerten Vampirin nicht leicht, mit ihrem Meister Schritt zu halten. Darius hatte schon längst den Rand des kleinen Tals erreicht, als sie noch den Hang hochging und wenig später neben ihm stehen blieb. An ihrer Kleidung klebte der Schnee. Er hatte sich mit dem Dreck aus dem Verlies vermischt.
Der Blick ins Land war prächtig, trotz der inzwischen angebrochenen Dunkelheit. In der Ferne sahen sie einen gelblichen Schein über der hellen Pracht schweben. Dazwischen aber lag noch ihr eigentliches Ziel, der Friedhof. Und der war nicht mehr weit entfernt.
Ohne ein Wort zu sagen, setzte sich Darius wieder in Bewegung. Erneut folgte Anne ihm. Diesmal blieb sie dichter hinter ihm.
Der Schnee machte die Dunkelheit hell. Und so konnten sie den Friedhof bereits erkennen, als sie noch ein ziemliches Stück von ihm entfernt waren. Licht sahen sie dort nicht schimmern, und trotzdem blieb der Blutsauger stehen, weil er etwas gehört hatte.
»Warum gehst du nicht weiter?«, flüsterte Anne.
»Ich habe was gehört. Vom Friedhof her.«
Sie lachte. »Das ist deine neue Freundin und zugleich unsere Beute.«
»Nein, das ist es nicht.«
»Wieso nicht?«
»Sie wird nicht mit sich selbst sprechen. Da ist jemand bei ihr«, stieß er hervor.
Anne stellte keine Fragen mehr, weil sie sich dumm vorkam, aber sie folgte ihrem Meister,
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