1609 - Shaos Rachetour
die Schultern. »Das lässt sich nur herausfinden, wenn wir uns dort umsehen.«
»Und was ist mit der Tiefgarage?«
»Da müssen wir auch hin.«
»Wer von uns beiden?«
Ich nickte Suko zu. Ja, es war besser, wenn wir uns trennten und einzeln die Orte absuchten, die infrage kamen.
»Du gehst nach draußen, John?«
»Okay.«
»Dann durchsuche ich mal die Tiefgarage.«
Begeistert klang das nicht. Noch immer schwang die Sorge um Shao in Sukos Stimme mit.
Und ob wir es nur mit vier Gegnern zu tun hatten, war auch noch fraglich…
***
Das lange Mordmesser flog. Es hätte auch getroffen, wenn Shao nicht schneller gewesen wäre. Der Bolzen jagte von der gespannten Sehne und konnte sein Ziel gar nicht verfehlen.
Kurz bevor der Mann sein Messer losließ, bohrte sich das Geschoss in seinen Körper. Da Shao etwas erhöht stand, hatte sie ihre Waffe leicht nach unten gerichtet und voll getroffen.
Der Messerwerfer war aus dem Gleichgewicht geraten. Er hatte die Klinge trotzdem losgelassen, die einen Bogen geschlagen hatte und hinter ihm im Treppenhaus verschwunden war.
Der Bolzen aber steckte in seinem Körper. Er hatte mit einer so großen Wucht getroffen, dass er an seinem Rücken beinahe wieder herausgekommen wäre.
Der Mann stand noch. Er hatte sich breitbeinig aufgebaut. So konnte er sich halten, auch wenn er schwankte. Sein Gesicht war verzerrt, die Hände hielt er auf die Einschussstelle gepresst. Aus dem offenen Mund drangen keuchende Laute.
Shao wusste, dass ihr von dieser Person keine Gefahr mehr drohte, und so legte sie auch keinen neuen Bolzen auf. Dafür ging sie die drei Stufen hinab auf den Mann zu, erfüllt von der Kraft des Auges. Sie wollte mit dem Mann noch reden und hoffte, dass er es noch schaffte, ihr Antworten zu geben. Sie konnte einige Brocken Japanisch. Es würde reichen, um den Schwerverletzten zu verstehen.
Mit dem Bolzen im Leib ging er noch einen Schritt zurück. Dabei übersah er den Beginn der Treppe, trat auf die Kante der obersten Stufe und kippte nach hinten.
Da gab es nichts mehr, was ihn aufhielt. Auch Shao war nicht schnell genug. Und so rollte er mit dem Bolzen im Körper bis auf den nächsten Absatz, wo er liegen blieb.
Es vergingen nur Sekunden, da kniete Shao neben ihm und schaute in sein schmerzverzerrtes Gesicht. Der Tod hatte ihn noch nicht ereilt. So hoffte sie, dass er sich zusammenriss und ein paar Worte sprach.
Er musste sie sehen, denn Shaos Gesicht befand sich dicht über dem seinen. Sie sah ihm auch an, dass er nicht mehr lange leben würde, und deshalb stellte sie sofort die Frage.
»Wer gehört noch zu euch?«
Sie hörte so etwas wie ein Lachen.
»Wie viele Männer seid ihr?«
»Zu viele«, keuchte er, »wir werden das Auge der Sonnengöttin bekommen, das ist…«
»Willst du es sehen?«
»Was?«
»Ja, ich habe es bei mir.« Shao zog den Reißverschluss ein wenig nach unten, sodass der größte Teil des Auges freilag.
Der Killer riss die Augen weit auf. Er versuchte etwas zu sagen, brachte jedoch keinen Ton hervor. Aber Shao wusste, was er wollte, als er mit letzter Kraft seine Hand ausstreckte, um das Auge der Amaterasu zu berühren.
Shao wollte zuerst zurückweichen. Dann änderte sie ihr Vorhaben. Es war der letzte Wunsch eines Sterbenden, und so beugte sie sich noch tiefer und ließ die Berührung zu.
Der Schrei war nicht laut, und dann sah Shao, was mit dem Mann geschah. Er veränderte sich, er schien kleiner zu werden und zugleich auch schmaler. Und dann glühte sein Körper auf, weil das fremde Licht seinen Weg in ihn gefunden hatte. Shao glaubte, für winzige Augenblicke sein Inneres zu sehen, aber das konnte auch eine Täuschung sein.
Ein letzter Laut, dann ein letztes Zusammenzucken, und der Sohn Nippons war tot.
Shao blieb neben ihm sitzen. Dabei schaute sie ins Leere und dachte an nichts mehr. Sie hatte den Tod des Japaners mit erlebt, aber sie wusste nicht genau, wer oder was ihn getötet hatte. War es der Bolzen ihrer Armbrust gewesen oder das Auge der Amaterasu?
Sie wollte es nicht glauben, schaute es an, aber es hatte sich nicht verändert.
Sie musste plötzlich an John Sinclair denken und dessen Kreuz.
Auch das strahlte ein Licht ab, wenn es aktiviert wurde. Bei ihrem Amulett hatte sie Ähnliches gesehen, aber sie wusste nicht, ob es dem Mann den Rest gegeben hatte. Da war einfach alles viel zu schnell abgelaufen.
Eines allerdings stand fest. Es gab jetzt für sie einen Gegner weniger.
Und sie war davon überzeugt, dass sich
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