Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
Vom Netzwerk:
hindurchschiebt und mit ausschweifenden Gesten munter mit dem Samurai plappert. Und vor allem sollte ich nicht auf ihr vom Wetter verdrecktes Leinenwams schauen und daran denken, dass sich die weißen Brüste einer Frau darunter verbergen, die ich nie gesehen habe und die ich nun nie …
    Die Frau hat mich verhext!
    Ich kaute auf meiner Lippe und ging hinter der Frau und dem Mann aus Nihon her.
    Zehn Tage, und alles, was ich aus Paris gehört habe, sind immer noch nur Gerüchte. Ich muss Kontakt herstellen, sobald ich das einigermaßen ungefährdet kann. Ich kann nichts tun, ohne vorher gesicherte Informationen zu haben.
    Die beiden krummen Schwerter des Fremden ragten aus seinem Gurtband heraus und machten seltsame Dellen in seinem Mantel. Sie steckten so in dem Tuch, das er um seine Hüfte geschlungen hatte, dass sie nicht herausfallen konnten. Für einen Mann, der die langen Scheiden von Rapieren gewohnt ist, sah er sogar unbewaffnet aus. Dariole wiederum war nicht prächtig genug gekleidet, um Beutelschneider anzuziehen, während ich selbst auch nicht besser aussah als ein Straßenflegel mit meinem sächsischen Rapier und dem französischen Hut.
    Mademoiselle Dariole blieb stehen, wo drei schmale und zwei breite Straßen auf eine offene Fläche hinausliefen. Wir waren jetzt bei den besseren Häusern angelangt, deren Erdgeschosse aus Stein gebaut waren und wo nur die oberen Stockwerke aus Fachwerk bestanden; außerdem war man hier weit genug von den fauligen Dämpfen des Flusses entfernt.
    Mademoiselle Dariole runzelte die Stirn. »Ich habe das größer in Erinnerung …«
    »Ihr werdet mich als Messire Herault vorstellen. Das ist ein guter hugenottische Name. Jetzt werden Messire Saburo und ich aber erst einmal hier auf Euch warten.«
    »Ihr gebt mir Befehle, Messire?« Ihre Stimme klang sanft, doch ihre Augen funkelten, als sie sich zu mir umdrehte. »Wollt Ihr, dass ich Euch wieder meinen Arsch hinhalte?«
    Mit einem Mal war mir wieder so kalt wie am Strand der Normandie. Ich wollte sie schlagen, doch so wie man eine Frau schlägt, nicht einen Mann.
    »Mademoiselle …« Ich beschloss auszusprechen, worüber ich auf dem Schiff nachgedacht hatte. »Bin ich je wirklich besiegt worden?«
    »Bitte …?«
    »Ihr müsst zugeben: Ihr seid eine Frau.« Ich musterte sie von Kopf bis Fuß. Sie reichte mir nur knapp bis zum Kinn. Ich könnte sie mit bloßen Händen zerbrechen.
    »Mademoiselle, denkt einmal nach: Ein Teil von mir muss das immer gefühlt und mich somit zurückgehalten haben. Wie sonst könnte eine schwache Frau einen starken Mann besiegen, Fähigkeiten hin oder her?«
    »›Zurückgehalten‹?«, wiederholte sie ungläubig. »Messire, Ihr seid ein Idiot. Ist das der Grund, warum Ihr auf dem Schiff nicht hinter mich geschlichen seid, um mich über die Reling zu stoßen? Ihr glaubt wirklich, dass Ihr mich schlagen könntet?«
    Ihre Augen leuchteten vor Spott. Ich atmete rau und hart. Unter ihrem frechen Blick verkrampften sich meine Muskeln. »Ich muss es gewusst haben!«
    Sie veränderte ihre Haltung – und ich bewegte mich. Ich bewegte mich aus Gewohnheit, um mir und meinem Schwert die vorteilhafteste Position zu verschaffen. Zum Schutz vor der hellen Maisonne kniff Dariole die Augen zusammen. Ihr Gesichtsausdruck verspottete mich, auch wenn sie schwieg.
    Nur mit Mühe gelang es mir, mein Temperament wieder unter Kontrolle zu bekommen. »Geht! Geht zu Eurem Vetter!« Dann fügte ich auf Französisch hinzu: »Wir wollen ihn doch nicht unnötig in Sorge versetzen, wenn Ihr plötzlich mit einem bewaffneten Schläger und einem ›Dämon‹ vor seiner Tür steht.«
    Ihre Mundwinkel bewegten sich nach oben. Einen Augenblick lang war sie weder Mannweib noch weibischer Mann. Ich konnte jedoch nicht benennen, was sie mit diesem schelmischen Grinsen war.
    »Wartet hier!« Sie lief los.
    Bei den Häusern um uns herum handelte es sich größtenteils um Privathäuser. Nur ganz am Ende der Straße zu meiner Linken befand sich ein Geschäft. Die Straßen hier waren ruhiger, und weitaus weniger Menschen kamen an uns vorbei als zuvor. Unauffällig zog ich Tanaka Saburo in den Schatten der Giebel.
    Der Geruch von London ist anders als der von Paris. Hier ist die Flussmündung in unmittelbarer Nähe, und in der Stadt gibt es Weiden, auf denen Kühe grasen. Die Sonne fühlte sich warm auf meinem Rücken an. Der Kanal in der Mitte der Straße war mit Abfall verstopft, der aus den oberen Stockwerken auf die Straße geworfen

Weitere Kostenlose Bücher