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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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worden war. Saburo und ich mussten ein, zwei Zoll tiefes Wasser durchqueren, bevor wir wieder im Trockenen waren.
    Ich blickte zurück und sah, wie Dariole zwischen zwei Engländern im Blau der Diener zur Tür eines Eckhauses ging. Es sah recht gut aus. Offenbar war es während der Regierungszeit des letzten Königs erbaut worden. Die oberen Stockwerke bestanden aus schweren Eichenbalken, die weit über die Straße ragten und fast das Fachwerk des gegenüberliegenden Hauses berührten. In meinem Viertel in Paris hätte man solch ein Haus vermutlich in mehrere Quartiere aufgeteilt. Dieses hier beherbergte offenbar jedoch nur eine Familie.
    Die Frühlingssonne strahlte und ließ den kalten Schlamm der Straße dampfen. Saburo widerte das sichtlich an.
    »Dreckige Gaijin«, murmelte er.
    »Es ist eine große Stadt«, erklärte ich ihm. »In London leben mindestens fünfzigtausend schmutzige Seelen, Messire; ihr Abfall muss doch irgendwohin.«
    »Und in Osaka leben fünfhunderttausend!«
    Offenbar hat er die englischen Zahlwörter noch nicht wirklich im Griff, dachte ich.
    »Eine halbe Million in Osaka … und kein Dreck! Dieser Müll hat über Nacht hier gelegen. Mehrere Tage sogar! … Was ist das?« Saburos Gesicht zeigte keine Wut, nur Verwirrung. Ich folgte seinem Blick.
    Dariole stand vor der großen Eichentür den Dienern der Markhams gegenüber. Ihre Stimme hallte schrill über die Straße.
    »… Messire Guillaume Markham sehen.«
    Guillaume. ›William‹. Nein, erkannte ich. Griffin Markham ist der Mann, an den ich mich erinnere. Sie mochten miteinander verwandt sein oder auch nicht, aber wenn das so weiterging, würde ich mir das einmal genauer ansehen müssen. Besagter Master Griffin war nämlich einer der Verräter der Krone, von denen ich bei meinem letzten Besuch hier gehört hatte.
    »Ich will ihn sehen!« Ihrem Tonfall nach zu urteilen, war das nicht das erste Mal, dass Dariole das verlangt hatte.
    Der ältere der beiden Diener schnaufte verächtlich. »Ich wette, dass du das willst, Junge!«
    Merde !, dachte ich und fragte mich, was ich wohl versäumt hatte, als ich mit Tanaka Saburo gesprochen hatte.
    »Ich bin sein Vetter, du Schwachkopf!« Dariole funkelte den Mann an und stand kurz davor, mit den Füßen aufzustampfen. »Sein Vetter aus Frankreich …«
    »Sicher bist du das«, unterbrach sie der zweite, kräftigere Mann. »Und ich bin der Papst.«
    »Dann segne mich, Vater!« Ein dürrer Engländer schlüpfte so schnell aus der Tür und zwischen die beiden, dass ich vermutete, er hatte gelauscht. Er trug ebenfalls ein dunkelblaues Wams und Pluderhose. Seinen Ärmel zierte ein Überwurf doch passte er nicht zu dem Wappen, das in den Türsturz gemeißelt war. Also hatte das Haus einen neuen Besitzer. Der dritte Mann wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab. »Wer ist dieser Hurensohn?«
    Ich sah Dariole ihre Wut an der Art an, wie sie die Schultern hielt.
    »Ich bin Arcadie-Fleurimonde-Henriette de Montargis de la Roncière! Und jetzt ruft Monsieur Markham!«
    Unter der Wollkappe des älteren Mannes lugte kurzgeschnittenes graues Haar hervor. Er lachte leise. »›Arcadie‹. Ein Mädchen also, hm?«
    Der dürre Diener beugte sich vor. »Bei den Franzosen weiß man das nie!«
    Ich spürte die vertraute Spannung in meinem Rücken, die einen Kampf ankündigt. Das waren zwar nur ein paar Lakaien, die Streit suchten, doch Dariole würde ein, zwei von ihnen aufspießen, vielleicht sogar alle drei. Und die Engländer sind wirklich empfindlich, was ihre Diener betrifft. Kam es zu einer handfesten Auseinandersetzung, wäre also ein Skandal die Folge, mit dem ich nichts zu tun haben wollte …
    »Er sieht wirklich wie ein Mädchen aus, der kleine Junge.«
    »Vielleicht ist er ja ein Junge – ein französischer Arschficker!«
    Grinsend rückten der ältere und der stämmige Mann näher an Dariole heran. Die Beleidigungen waren gelassen gesprochen, aber eindeutig nicht gutmütig gemeint.
    »Aber ich bin Arcadie! Holt Monsieur Markham, oder es wird euch noch Leid tun! Ich werde dafür sorgen, dass er euch auspeitschen lässt!«
    Es ist ihr Akzent.
    Schrill und fast komisch in ihrer Wut.
    Und ein Mann oder Junge, mit dem sein Temperament durchgeht, ist immer eine Quelle der Schadenfreude …
    Gütiger Gott, ich hätte ihm nie eine Aufgabe geben dürfen – ihr!
    »Warum behandeln sie sie so despektierlich?«, fragte Saburo neben mir leise. »Gibt es Streit in ihrem Clan?«
    Sein kantiger Leib war auffallend

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