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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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die Zukunft voraussehen«, sagte ich. »Dabei wird er zur Tarnung als Arzt und Gelehrter arbeiten.«
    »Sagt ihm«, krächzte James I. und VI. »dass Wir ihn zu Earl Percy in den Tower schicken werden, sollte Uns sein Benehmen nicht gefallen. Jene zwei Hexer sind bereits dort; dann können sie gemeinsam des Teufels Werk vollbringen. Habt Ihr verstanden, Master Rochefort?«
    »Ich habe verstanden, Euer Majestät«, antwortete ich, »und ich werde dafür sorgen, dass auch Doktor Fludd es versteht. Sollte er das nicht tun, werde ich ihm erklären, wie sich ein Mann zu verhalten hat, dessen Hinrichtung nur immer wieder aufgeschoben wird.«
    Der Blick des Königs wanderte zu meiner Schulter. Ich nahm an, er dachte an das Brandmal, das sich dort befand. Er wischte sich den Mund ab und nickte ernst.
    Trotz all der Wärme, welche die roten Ziegelmauern und die üppigen Wandteppiche der Halle ausstrahlten, besaß seine Haut einen gräulichen Unterton. James betrachtete mich für einen langen Augenblick. Seine Augen wirkten wässriger, als ich sie in Erinnerung hatte.
    »Wir haben Unsere rechte Hand verloren«, sagte er. »Das ist umso trauriger, da wir uns voneinander entfremdet hatten. Ihr habt ihn vor seinem Tod gesehen, Master Rochefort. Ist das wahr?«
    »Einen Tag zuvor. Er hat von Eurer Majestät gesprochen. Ich glaube, wenn er irgendetwas bereute, dann, dass er nicht mit Euch auf der Straße nach Bridgwater gewesen ist.«
    James Gesichtsausdruck veränderte sich augenblicklich, als hätte er lachen und zugleich weinen wollen. »Ah, Robbie. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie er vor vier Dutzend stinkenden Landarbeitern singt? Das hätten Wir gerne gesehen.«
    Ich verneigte mich, um meinen Gesichtsausdruck zu verbergen. Jemand in meiner Position durfte sich nicht sentimental zeigen.
    James' Gesicht verdüsterte sich wieder. Er sagte: »Sagt Fludd, dass Wir wissen wollen, welche Fragen Königin Maria ihm stellt.«
    »Jawohl, Euer Majestät.« Ich war mir wohl bewusst, dass die Höflinge an der Tür mich misstrauisch beäugten, und weltmännisch ließ ich meinen Blick durch die gotische Halle schweifen. »Euer Sohn, der Prinz von Wales, ist gegenwärtig nicht bei Hofe?«
    James schaute noch säuerlicher drein, falls das überhaupt möglich war. »Er hat jetzt seinen eigenen Hof. Wenn Wir ihn sehen wollen, müssen Wir ihn in Richmond oder im St James Palace suchen. Es gibt nur sehr wenige, die Ihr an seinem und an Unserem Hof sehen werdet, Master Rochefort. Die seinen sind allesamt aufrechte Puritaner, die keine Eide schwören oder sich bei einem Bankett vergnügen wollen; doch sie beten … zweimal am Tag.«
    Ich war in solchen Situationen geübt genug, um einen gleichmütigen Gesichtsausdruck zu bewahren.
    »Euer Majestät.« Ich fragte mich, wie weit ich bei ihm gehen konnte. »Habt Ihr eine erste Frage an Doktor Fludd, die ich ihm übermitteln könnte?«
    James schüttelte den Kopf. »Die haben Wir nicht. Noch nicht.«
    Er schaute mir nicht in die Augen.
    »Ist Euch noch nie der Gedanke gekommen, Rochefort, dass manche Fragen besser unbeantwortet bleiben?«
    Es regnete, als der Fährmann mich von Greenwich wieder die Themse hinaufbrachte. Ich beobachtete die Strömung, in der unzählige Regentropfen Kreise bildeten. Es waren so viele, dass es ein Leben lang dauern würde, all ihre Schnittpunkte zu berechnen … und bis dahin wären sie längst wieder alle verschwunden.
    Verantwortung.
    Was nur ein Fluch ist, wenn sie nicht mit der Macht verbunden ist zu handeln.
    Zurück in der Coleman Street hatte ich eine Frage für Robert Fludd.
    »Falls Ihr das nicht schon getan haben solltet«, sagte ich, »berechnet doch bitte den Tag, an dem Ihr nun sterben werdet.«
    Im Laufe der nächsten vier Tage, während Fludd arbeitete und ich mir über mein Problem den Kopf zerbrach, sah ich eine Reihe sowohl schäbiger als auch herrschaftlicher Seelen. Sie alle hatten nichts gemeinsam … außer dass niemand sie in einer Menschenmenge bemerken würde.
    Hintereinander bewirtete ich diese gut zwei Dutzend Informanten des verstorbenen Ministers in der schmutzigen Kammer, die das Beste war, was ein westliches Haus zu bieten hatte. Den letzten Mann – der aus Den Haag kam, aber behauptete, binnen vierzehn Tagen im Louvre sein zu können – starrte ich an, während er mich ebenfalls aufmerksam musterte.
    Ich schätzte ihn auf gut fünfzig. Seine Kleidung war englisch, seine Haut hell und sein Haar hellbraun. Im selben Augenblick, da er

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