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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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ausschlagen.«
    Die Tante (sie hieß Cleophine, wie ich mich nun erinnerte) klatschte in die Hände und forderte die Musiker damit auf, das Spiel zu beginnen. Männer und Frauen begannen zu tanzen – allerdings nicht so etwas Modernes wie eine Voluta. Ich reichte Mademoiselle Dariole die Hand und wünschte mir verzweifelt, sprechen zu können. So jedoch führte der Tanz uns immer wieder voneinander weg, und wir schwiegen, während die anderen Tänzer munter plapperten.
    Ich hatte kurz Zeit, darüber nachzudenken, dass ich mich als größter Mann im Raum wie ein Tänzer auf Stelzen fühlte.
    Zwischen Seidenwämsen und mit Federn verstärkten Kragen erhaschte ich immer wieder einen Blick auf Dariole und sah, wie sie ihrem Mann Philippe im Vorübertanzen zulächelte.
    Ich blickte von ihrem Gesicht zu seinem und sah, wie die Freude sein unfertiges Jungengesicht kurz in das eines Mannes verwandelte.
    Der Schmerz des Offensichtlichen durchfuhr mich schlimmer als jeder Schwertstoß.
    Sie hatte ihre Ehe tatsächlich vollzogen.
    Und warum hätte sie das auch nicht tun sollen?, dachte ich, als ich wieder atmen konnte und mich bemühte, vor ihren Gästen einen gleichmütigen Gesichtsausdruck zu bewahren.
    Ich bin kein Heuchler. Mir war klar, dass ich diesem Philippe ein Schwert in den Leib rammen würde, falls es so weit kommen sollte, dass es hieß: er oder ich.
    Jeder Mann, der noch einigermaßen bei Verstand war, hätte in diesem Augenblick das Haus verlassen.
    Ich quälte mich selbst, indem ich beobachtete, wie sie mit ihren Brüdern scherzte und lachte und mit liebevollem Respekt zu ihrem Vater sprach. Habe ich nicht auch noch etwas mit ihr zu besprechen?, dachte ich. Etwas, was nichts mit mir persönlich zu tun hat?
    So gut es ging, versuchte ich, nicht auf die zynische Stimme in meinem Kopf zu lauschen, die sagte: Du bist zu spät, Rochefort – wie immer. Ich hatte das Gefühl, als hätte man mich von oben bis unten aufgeschlitzt. Während ich noch auf den richtigen Zeitpunkt gewartet hatte, war dieser bereits verstrichen.
    Sie ist glücklich. Es wird andere geben, die ich rekrutieren kann.
    Ich wartete nicht, bis die Musik uns wieder zusammenführte, denn dann würde ich wieder ihre Hände ergreifen und hinter den anderen Tänzern her zum Ende der Halle gehen müssen. Als eine Drehung der Pavane mich in die Nähe der Tür brachte, schlüpfte ich unauffällig aus dem Raum und dann aus dem Haus.
    Das nüchterne Licht eines Novembermorgens reißt einen nicht gerade zu emotionalen Höhenflügen hin.
    Ich saß an einem Tisch des Gasthofes, und das schwache Sonnenlicht fiel durch die Bleiglasfenster, während ich meine Schreibfeder spitzte.
    Wenn ich Frankreich auf dem gleichen Weg wieder verlassen würde, den ich gekommen war, würde ich mich der Gefahr der Beobachtung aussetzen. Also würde ich nach Südwesten reiten, über den Fluss von Orleans nach Nantes fahren und dort ein Schiff besteigen, das weit abseits jeder zu erwartenden Route fuhr.
    Wie kann ich gehen, ohne mit ihr gesprochen zu haben?
    Und was soll ich ihr zum Abschied schreiben?
    ›Dariole, Mademoiselle, ich liebe Euch in einem Maße, dass es mir den Atem verschlägt, und Euch Lebewohl zu sagen, macht mein Leben zu einer Wüste.‹
    Diese Art von Maßlosigkeit war nicht gerade dazu geeignet, sich bei einer jungen Frau einzuschmeicheln, die mit ihrem jungen Ehemann zufrieden war.
    ›Ich brauche Euer Schwert, Euren Verstand und Euer Wissen um das, was in Wookey, London und in Japan geschehen ist.‹
    Wenn sie ein Bruder (oder Schwester) des Rosenkreuzes werden sollte, konnte sie ruhig wissen, aus welchen Gründen ich sie brauchte.
    Draußen waren die Straßen nach einem Schauer mit Schlamm bedeckt. Im Rinnstein schimmerte noch das Wasser. Ich beobachtete, wie ein Mann in Reitstiefeln platschend hindurchwatete und die Taverne auf der anderen Straßenseite betrat. Zwei Frauen, Köpfe und Körbe mit Stoff bedeckt, gingen Arm und Arm die Straße hinunter und kicherten miteinander. Ihr Atem war in der kalten Luft deutlich zu sehen.
    Schon bald würde ich kein Französisch auf den Straßen mehr hören; ich würde in London sein oder vielleicht in Heidelberg. Ich freute mich auf die Reisen. Ich freute mich nur nicht darauf, diesen Ort zu verlassen.
    Ich werde mir diese letzte Anmaßung leisten, entschied ich, lächelte schief und tauchte meine Feder in die Tinte. Außerdem muss ich den Brief ja nicht abschicken.
    Ich schrieb:
    »Dies hier sind Dinge, die ein Mann

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