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1610 03 - Soehne der Zeit

1610 03 - Soehne der Zeit

Titel: 1610 03 - Soehne der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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einem Eurer Türme hier nicht Jeanne d'Arc auf dem Weg zur Verhandlung nach Rouen festgehalten? Aber vielleicht habt Ihr ja etwas gegen Kriegerfrauen, hm?«
    Dariole – ›Arcadie‹ sollte ich wohl sagen – beäugte mich unbarmherzig. Ihr Bruder schnaufte.
    Sie sagte: »Ich werde mich darum kümmern. Ich komme schon klar.«
    Er warf ihr einen Blick zu wie ein Mann, der einen lange geführten Streit verloren hat, drehte sich dann um und verschwand in der Menge.
    Zu unserer Linken trennten uns große Fenster von der Außenwelt. Es war ein milder Nachmittag in der zweiten Novemberwoche, und die Sonne war noch nicht ganz vom Himmel verschwunden.
    »Was habt Ihr ihm gesagt, wer oder was ich bin?«, fragte ich.
    »Ein Mann, den Dariole gekannt hat. Warum seid Ihr hier?«, verlangte sie zu wissen.
    Mein Blick folgte Ambroise – oder Blaise oder Ogier, welcher Bruder er auch sein mochte –, und ich sah, wie er mit einem anderen Mann sprach, jünger als er und nicht mit dem typischen Aussehen der Familienmitglieder. Seine Haare waren dunkel, seine Haut blass, und er hatte irgendetwas an sich, das Frauen gefiel.
    Und doch fand die Festivität hier statt und nicht auf dem Gut seiner Familie.
    »Das ist dann wohl Euer Gemahl Philippe«, sagte ich. Mir war tollkühn genug zumute, dass ich sofort eine Frage hinterherschob. »Habt Ihr die Ehe mit ihm schon vollzogen?«
    Jede andere Frau hätte hörbar nach Luft geschnappt, wäre in Tränen ausgebrochen oder hätte mich ins Gesicht geschlagen; zumindest die letzte Reaktion erwartete ich auch von Mademoiselle Dariole … aber vielleicht nicht von Madame Arcadie, die mich nur weiter anschaute, vollkommen selbstbeherrscht.
    Erneut fragte sie: » Warum seid Ihr hier?«
    Kurz schloss ich die Augen. Die Melodien der Musiker waren über das provinzielle Geplapper der Gäste hinweg kaum zu hören. In jedem Fall konnte ich hier sagen, was ich wollte, ohne belauscht zu werden.
    Ich blickte zu ihr hinunter. Eine Zofe hatte ihr mit geschickten Händen die Lider nachgezogen, und ich lächelte.
    »Was erwartet Ihr denn von mir?«, entgegnete ich. »Ich bin gekommen, um zu betteln.«
    Vielleicht hätte ich aufgegeben, wenn sie in diesem Augenblick keinerlei Reaktion gezeigt hätte.
    Sie blinzelte und strich über die langen Perlenketten, die ihr bis zum Reifrock reichten. Verärgert tippte sie mit dem Zeigefinger auf ihnen herum. Das ließ mich nur noch mehr lächeln.
    » Und?«, hakte sie ungeduldig nach.
    Ich hob eine Augenbraue.
    Sie funkelte mich an. »Es gibt sechs Männer in diesem Raum, die Euch sofort herausfordern würden, wenn ich Euch ins Gesicht schlage – sieben, wenn Ihr meinen Gemahl mitzählt.«
    Zur Zurückhaltung war ich im Augenblick nicht mehr fähig. Ich grinste sie an.
    Sie kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Ihr wisst, was ich meine.«
    »Oh, ja ja.« Ich machte eine leichte Verbeugung, die vom Stil her sogar nach Fontainebleau gepasst hätte. »Allerdings habe ich nicht gewusst, dass Ihr Eure Familie so sehr hasst, dass Ihr sie alle durch das gleiche Schwert sterben sehen wollt …«
    Sie machte ein leises Geräusch, das an das Miezen eines Kätzchens erinnerte; offenbar hatte ich sie überrascht.
    »Rochefort …«
    Der warnende Unterton in ihrer Stimme freute mich, wenn auch nur, da ich ihn als den von Mademoiselle Dariole erkannte.
    Ein, zwei Augenblicke lang betrachtete ich sie, während das Lächeln aus meinem Gesicht verschwand. Ihr Reifrock bestand aus blauer Seide. Ihr Mieder, flach geschnitten an der Brust, diente als Stütze für den großen Kragen, der sich hinter ihrem Kopf nach oben wölbte. Diamanten funkelten in der Klöppelspitze.
    Ich fühlte die alte Angst, die ich schon auf dem Weg hierher empfunden hatte und die nichts mit der Frage zu tun hatte, ob meine Verkleidung vor der feindseligen Welt Bestand haben würde. Sie hatte mir weder geschrieben noch mir auf einem anderen Wege eine Nachricht zukommen lassen: Wie konnte ich es da wagen, sie aufzusuchen? Und das nicht etwa, um ihr etwas anzubieten, sondern um etwas von ihr zu verlangen.
    Zwischen uns beiden kann es keine Geheimnisse geben.
    »Was den Grund meines Kommens betrifft«, sagte ich, »so schulde ich Euch zunächst einige Entschuldigungen.«
    Sie schaute mich misstrauisch an und veränderte ihre Körperhaltung; sie verlagerte das Gewicht ein wenig, legte den Kopf leicht auf die Seite und verschränkte die Arme wie ein junger Mann. Mit Reifrock und Mieder sah das einfach nur

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