1610 - Knochen-Lady
Gefühl.«
»Wenn das so ist, werde ich mal herausfinden, wo sich dieser Rick de Soto befindet.«
»Tu das. Und ich übernehme diesmal die Rechung!«
»He!«, rief ich. »Willst du mich in Zugzwang bringen?«
»Genau das, Mr. Geisterjäger. Ich warte schon jetzt auf die Gegeneinladung…«
***
Telefonisch hatte ich so gut wie alles geregelt. Denn ich wollte nicht unangemeldet irgendwo erscheinen.
Mein Weg führte mich zur Metropolitan Police, doch ich fuhr nicht mit dem Auto, sondern nahm die Tube. Das war in diesem Fall besser.
Es war so eine Sache. Sollte ich mich reinhängen, weil irgendetwas völlig aus dem Ruder gelaufen war? Oder gab es eine normale Erklärung? Auch das war möglich. Ich tendierte sogar dahin.
In jeder Stadt der Welt liefen zahlreiche Spinner und Psychopathen herum, die Dinge taten, über die gesunde Menschen nur den Kopf schütteln konnten. Ob Väter ihre Familien töteten oder völlig unsinnig sich selbst umbrachten. Ob junge Leute plötzlich Amok liefen, wobei sie Mitschüler und Lehrer töteten. Das alles waren Fälle für die Psychologen. Aber nicht für Menschen wie Suko und mich.
Aber da gab es auch noch den Prozentsatz anderer Fälle, und die durften wir auf keinen Fall aus den Augen lassen. Das hatte uns die Vergangenheit oft genug gelehrt, und in diesem Fall musste ich mich auf die Aussagen Johnny Conollys verlassen.
Er war angegriffen worden, und das völlig ohne Grund. Und dieser Mensch hatte davon gesprochen, dass er es tun musste, und er hatte einen Schädel dabei erwähnt, der ihm möglicherweise den Befehl dazu gegeben hatte. Das klang ziemlich abgefahren. Aber Johnny war kein Kind mehr und hatte seine Erfahrungen sammeln können. Aus diesem Grund war ich unterwegs.
Ich hatte Johnny, der zugleich mein Patenkind war, aufwachsen sehen.
Immer wieder war er von den anderen Mächten angegriffen worden oder hatte zumindest Kontakt zu ihnen bekommen. Als er Kind war, war die Wölfin Nadine mit der menschlichen Seele seine Beschützerin gewesen.
Sie befand sich jetzt in Avalon in einer anderen Dimension. Johnny war auch seinen Weg gegangen. Doch in der letzten Zeit war er wieder stärker mit Mächten konfrontiert worden, die auch seine Eltern und ich kannten, sehr zum Ärger seiner Mutter Sheila.
Johnny hatte also Erfahrung. Sein Erlebnis war so prägnant gewesen.
Sicherheitshalber hatte er zunächst mit seinem Vater gesprochen, und da Bill der Meinung war, dass ich mich um den Fall kümmern sollte, tat ich es auch.
Nachdem ich die U-Bahn verlassen hatte, ging ich den letzten Teil des Wegs zu Fuß. Schneeflocken umwirbelten mich. Sie waren zum Glück nicht so dicht, aber den Verkehr behinderten sie schon. Halb London erstickte mal wieder im Stau.
Dieser Rick de Soto war in eine Zelle gesteckt worden. Nicht im normalen Bau der Police. Es war so etwas wie ein Untersuchungsgefängnis, und dort meldete ich mich an, nachdem ich mir den Schnee von der Kleidung geklopft hatte.
Am Eingang wurde ich von Kameras beobachtet. Nach einem kurzen Dialog über eine Sprechanlage wurde ich eingelassen und betrat einen recht düsteren Bau.
Hinter einem Empfang saßen zwei Uniformierte. Beide schauten mich nicht eben freundlich an.
»Wir haben Sie schon erwartet«, sagte einer der beiden. Er war ein hoch gewachsener Mann mit einem rötlichen Unterlippenbart, der sich von der Farbe her in nichts von seinen Haaren unterschied, die unter der Mütze hervorquollen.
»Scotland Yard, nicht?«
Ich lächelte, nickte und zeigte meinen Ausweis. Als man mir das Dokument zurückgab, erfuhr ich, dass der Mann O’Connor hieß, wie hätte es auch anders sein können? Und er wollte wissen, warum sich Scotland Yard für den Mann interessiere.
Ich blieb weiterhin freundlich und sagte: »Das weiß ich noch nicht so genau. Ich werde es herausbekommen. Zunächst möchte ich mit ihm reden.«
O’Connor nickte. »Gut. Aber wir haben schon alles versucht. Da werden Sie nicht viel Glück haben.«
»Was hat er denn gesagt?«
»Er hat nur gefaselt, und zwar dummes Zeug. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Vielleicht haben Sie mehr Glück. Sie können es ja mal probieren.«
»Danke, das werde ich.«
»Kommen Sie mit.«
Trotz der großen Fensterscheiben war es nicht eben hell in diesem Bau.
Und es wurde noch dunkler, als wir in einen breiten Gang gerieten, an dessen Ende sich eine Tür befand.
O’Connor tippte einen Code ein, dann öffnete sich die Tür, und wir erreichten den Bereich, in dem
Weitere Kostenlose Bücher