1617 - Blutlust
Viola auch. Und ich glaube, dass auch du sie kennst.«
»Ja.«
»Das ist gut. Es ist nur komisch, dass sie deinen Namen mir gegenüber nicht erwähnt hat.«
»Ich habe dich auch nicht gekannt.«
»Das spielt keine Rolle. Außerdem stelle ich hier die Fragen. Alles andere kannst du vergessen.«
Er bewegte seinen Mund, ohne etwas zu sagen. Es war ein stummes Kauen.
In seinen Augen stand nicht mehr die Gier nach Blut, er war jetzt unsicher geworden, und wenn ich versuchte, ihn anzuschauen, wich er meinem Blick aus.
»Ich habe sie geliebt«, flüsterte er. »Und sie mich auch, glaube ich. Wir waren öfter zusammen, denn sie brauchte jemanden, der sie zu ihren Auftritten fuhr. Das habe ich getan.«
Justine deutete ein Kopfschütteln an. »Komisch, dass ich dir nicht glauben kann.«
»Warum nicht?«
»Weil sie mit mir nie über dich gesprochen hat. Das ist es. Und wir waren oft zusammen.«
»Nein, das glaube ich nicht. Sie hätte es mir gesagt. Ich war ihr Vertrauter. Deinen Namen habe ich vorher nie gehört. Du kannst nicht so gut mit ihr befreundet sein wie ich.«
»Das gebe ich gern zu. Aber ich will wissen, wie es dir gelungen ist, hierher zu kommen.«
Er hob die Schultern. »Monk, der Bestatter, hat mich angerufen. Er hat sie gefunden. Sie lag im Hof. Dann hat er sie in den Sarg hier gelegt. Ja, so ist es gewesen.«
»Weiter!«, forderte Justine ihn auf.
»Sie - sie - stieg aus dem Sarg und wollte mein Blut. Das hat sie bekommen. Es war so wunderbar, als sie mich biss. Jetzt bin ich ihr sehr nahe.«
»Irrtum. Sie ist nicht mehr hier.« Justine lachte leise. »Sie hat dich im Stich gelassen.«
Der Gedanke an Viola trieb ihm einen sichtbaren Glanz in die Augen.
»Sie kommt wieder, das weiß ich. Sie lässt mich nicht im Stich. Ich kann ihr vertrauen.«
Jetzt mischte ich mich ein. »Und Sie können sich nicht vorstellen, wohin sie gegangen ist?«
Er glotzte mich an. Dann hörte ich seine Antwort, die geschrien wurde.
»Nein, das kann ich nicht, verdammt! Sie wird auf der Suche nach einem Unterschlupf sein, und sie kennt viele Orte, wohin sie gehen kann.«
»Die auch du kennst?«, fragte Justine.
Er gab erneut eine Antwort, aber sie brachte uns nicht weiter, denn aus seiner Kehle löste sich ein wissendes Lachen.
Ich dachte daran, was ich inzwischen erfahren hatte. Diese Viola war in ihrem normalen Leben eine Sängerin und eine Stripperin gewesen. Sie hatte in einer Nacht verschiedene Orte besucht und war in Bars oder Clubs aufgetreten, und so konnte ich davon ausgehen, dass diese Orte ideale Anlaufstellen für sie waren. Dort gab es genügend Menschen, deren Blut sie trinken konnte.
»Wohin hast du sie gefahren?«
Hammer schüttelte den Kopf. Justine Cavallo stellte sich auf meine Seite. »Ich würde an deiner Stelle antworten, sonst könnte es wirklich übel für dich ausgehen, mein Freund. Wir können auch anders.«
»Was denn? Ihr - ihr - könnt mich nicht töten. Nein, das ist nicht möglich. Du doch nicht, Justine! Wir gehören zusammen und werden gemeinsam das Blut saugen.« Die Cavallo hob lässig die Schultern.
»Ich glaube, da irrst du dich, mein Freund.«
»Wieso?«
»Auch ich will wissen, wo ich Viola finden kann, ich will ihre Blutlust miterleben.«
Bruce Hammer verengte die Augen. »Ich traue dir nicht. Nein, das kann ich nicht. Du bist nicht ihre Freundin. Sie hat mir nichts von dir erzählt. Du kannst…«
»Ich habe ihr Blut getrunken«, erklärte die Cavallo. »Und ich kann dir sagen, dass es mir wunderbar gemundet hat. Sie und ich, wir sind so etwas wie Schwestern, ich denke, das solltest du dir durch deinen Kopf gehen lassen.«
Es war neu für Bruce Hammer. Er wusste auch nicht, wie er sich verhalten sollte. Unruhig trat er mit den Füßen auf der Stelle und schüttelte dabei den Kopf.
»Willst du nicht?«
»Such sie doch!«
Justine lächelte und warf mir einen Blick zu. »Ich denke, jetzt bist du an der Reihe.«
Mehr musste sie nicht sagen. Ich wusste genau, was sie damit meinte: Wenn wir schon freiwillig nichts aus Hammer herausbekamen, dann eben auf eine andere Weise, und die konnte für ihn tödlich enden.
Ich wurde von ihm nicht aus dem Blick gelassen, als ich meine Hände bewegte und die Hemdknöpfe löste. Noch war das Kreuz verborgen, aber wenig später sah er es.
Sein Schrei war grauenhaft. Er riss dabei den Mund so weit auf, dass man Angst davor haben konnte, dass er an den Winkeln riss. Er wollte weg. Er schüttelte den Kopf. Er schlug einige Male damit
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