1631 - Die Taiga-Göttin
Minuten vor der Zeit landete die Maschine. Es ging also auch anders.
Dann mussten wir warten. Aber Karina erschien recht schnell. Sie zog nur einen kleinen Trolley hinter sich her, sah uns sofort und winkte uns zu.
»Jetzt sehe ich wieder Land«, meinte Suko.
»Hoffentlich.«
Karina trug eine hellgrüne Lederjacke, dazu ein weißes Top und eine schwarze Tuchhose. Wie immer schimmerte ihr Haar leicht rötlich und hatte noch einen Stich ins Braune. Sie war eine toughe Person mit einem hübschen Gesicht. Wer in ihre lächelnden Augen schaute, der ahnte nicht, dass diese Frau auch zu einer Kampfmaschine werden konnte.
Wir liefen ihr entgegen, und die langen und üblichen Umarmungen mussten sein.
»Endlich«, jubelte ich.
»Na, na, setzt eure Erwartungen nicht zu hoch. Ich bin nicht allmächtig.«
»Wissen wir.«
»Okay, und wie geht es weiter? Ich sehe es euch förmlich an, dass es bei euch brennt.«
»Das kannst du laut sagen.« Suko nickte. »Wir haben nur auf dich gewartet, Karina. Wir sind ausgeschlossen worden.«
»Ach. Wieso? Von wem?«
»Von deiner Botschaft.«
Karina Grischin senkte den Blick. »Das habe ich mir fast gedacht.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte ich.
Sie deutete ein Lachen an. »Das ist ganz einfach. Du kennst die Geheimnistuerei der Botschaftsmitglieder. Damit hatte ich ebenfalls große Probleme. Einige Leute haben stark gemauert. Ich kam nicht weiter und war froh, dass ich Wladimir einspannen konnte. Auch er hatte Mühe, aber er kam schließlich durch.«
»Was meinst du damit?«
»Ich denke an die Sarows. An die Familie.«
»Und?«
Karina runzelte die Stirn. »Auch da gab es ein Problem, was Wladimir lösen konnte. Wer zum Personal der Botschaft gehört, muss es sich gefallen lassen, dass er ständig unter einer Kontrolle steht. Gewisse Leute wissen mehr über einen Bescheid, als es einem lieb sein kann. Das ist nun mal so, und das wird auch immer so bleiben. Das gilt natürlich auch für die Sarows. Man weiß viel über sie, kennt die familiären Verhältnisse und ist über Vorlieben und Hobbys informiert. Dazu zählen auch die Urlaubsgewohnheiten.« Karina nickte uns zu, dann lächelte sie. Danach meinte sie: »Genau das ist für uns ein Vorteil. Die Sarows sind in Urlaub gefahren, und auch wohin die Familie gefahren ist, ist bekannt.«
»Und wohin?«, fragte Suko.
»Sie sind im Land geblieben. Sie sind schon öfter in ein Wochenendhaus an der englischen Südküste gefahren, und wir gehen davon aus, dass sie sich auch diesmal dorthin begeben haben.«
»Und du weißt, wo wir das Haus finden können?«
Karina Grischin nickte mir zu. »Manchmal kann eine Kontrolle sehr gut sein.«
Ich fragte weiter: »Aber Igor Sarow und seine Familie wissen nicht Bescheid, dass du unterwegs bist?«
»Woher denn? Die Familie macht Urlaub, und da stört doch niemand aus der Firma.«
Es war alles klar. Unser nächstes Ziel stand fest. Zwar wussten wir nicht ganz genau, wohin wir zu fahren hatten, aber das würde sich alles regeln lassen.
Schon jetzt hatte uns Karinas Besuch einiges gebracht, und ich wusste auch, dass sie scharf darauf war, das zu erfahren, was wir hier herausgefunden hatten.
Das allerdings würden wir auf dem Weg nach Süden erledigen. Zeit genug gab es…
***
Den Sarows war klar, dass sie keinen Bluff erlebten. So etwas konnte man sich nicht ausdenken.
Was sie hier sahen, das stellte alle physikalischen Gesetze auf den Kopf.
Sie gingen davon aus, dass der zweite Mann, der ebenfalls so ungewöhnlich gekleidet war, auf die gleiche Weise erschienen war.
Es war nicht zu fassen, und es war mehr als unheimlich.
Der zweite Mann stand auf der Treppe und hatte sein düsteres Gesicht ihnen zugedreht.
Es war eine Situation, in der sie sich gegenseitig stützen mussten. Sie fassten sich an.
Pavel, der Zehnjährige, hielt sich in der offenen Küchentür auf. Er hatte bisher nichts gesagt. Wer jedoch in sein Gesicht schaute, der sah keine Spuren der Angst. Interessiert schaute er sich die beiden Fremden an. Sein Blick wechselte stetig zwischen ihnen hin und her.
Und dann lächelte er und staunte zugleich. Er riss die Augen weit auf, und seine Frage überraschte alle.
»Seid ihr Aliens?«
Helen Sarow zuckte zusammen. »Bitte, Pavel, sei ruhig. Stell keine Fragen.«
»Aber ich…«
»Bitte!«
»Lassen Sie den Jungen!« Der Mann, der durch die geschlossene Tür gekommen war, hatte gesprochen. Und er gab dem Jungen auch eine Antwort. »Ja, wir sind etwas
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