1632 - Botschaft aus der Raumzeitfalte
auf den Tunnel zu. Sie landeten ein paar Meter vor der mächtigen Öffnung und spähten in die Finsternis. Sie hatten die Helmlampen eingeschaltet und versuchten, die Dunkelheit zu durchdringen. Aber die grellen Lichtkegel, die sonst bei voller Lampenleistung Hunderte von Metern weit reichten, kamen hier nur ein paar Schritte weit, dann war ihre Kraft verbraucht.
Plötzlich hörte Boris die Stimme wieder. Noch immer verstand er nicht, was sie sagte. Aber er spürte, daß sie ihn zu sich heranziehen wollte. Eine heimliche Lockung ging von ihr aus. deren Intensität von Sekunde zu Sekunde zunahm. „Vorsicht!" sagte er. „Es geht wieder los."
„Ich höre es", kam Rois Antwort über Helmfunk. „Wenn du es nicht mehr aushalten kannst, zieh dich zurück."
„Ich merke immer noch nichts", zirpte Xii-Gien-Qek. „Ich sehe mich dort drinnen um."
„Sei vorsichtig!" wamte Roi.
Kaum eine Handbreit über dem Boden glitt der Blue auf die mächtige, finstere Öffnung zu.
Boris sah ihm nach. Er hatte das unwirkliche Empfmden, daß Xii-Gien-Qek sich gar nicht bewegte, sondern lediglich schrumpfte. Der düstere Hintergrund bot keine Perspektive. Boris hörte die Stimme immer drängender rufen. Er starrte in die Finsternis und wußte auf einmal nicht mehr, ob er in einen gewöhnlichen Tunnel blickte oder in ein Loch, das durch Raum und Zeit führte. Was war aus den Hunderten von Raupenfahrzeugen geworden, die vor mehr als einer halben Stunde hier eingeflogen waren?
Das Gefühl der Unwirklichkeit wuchs. Xii-Gien-Qek hatte die Helmlampe und die übrigen Leuchtkörper seines SERUNS eingeschaltet. Die Lichter tanzten wie ein Irrwisch durchs Dunkel.
Die Stimme rief. Boris spürte, daß er der Verlockung nicht mehr lange standhalten würde. Er konzentrierte sich ganz auf sich selbst. Er versuchte, Kräftereserven zu mobilisieren, die ihm helfen sollten, den Lockruf abzublocken. Die Unterhaltung, die sich zwischen Roi Danton und dem Blue abwickelte, hörte er nur so nebenbei. „Was siehst du?" wollte Roi wissen. „Nichts. Absolut nichts!" kam die Antwort. „Das Licht der Lampen reicht höchstens zwei Meter weit."
„Merkwürdig. Wir können deine Lichter hier draußen noch sehen. Warum versuchst du nicht, in die Nähe der Tunnelwand zu kommen. Vielleicht gibt's dort was zu sehen."
„Gute Idee!" sagte Xii-Gien-Qek, „aber leider undurchführbar. Ich versuche schon seit zwei Minuten, mich tiefer in den Tunnel hinein oder auf die Wände zuzubewegen. Es ist wie verhext.
Das Gravo-Pak arbeitet mit voller Leistung, aber ich komme nicht vom Fleck. Es ist genau der umgekehrte Effekt, wie wir ihn mit der MOBdrei erlebt haben."
„Okay, dann komm zurück!" riet Roi.
In diesem Augenblick verließen Boris die Kräfte. Er konnte keinen Widerständ mehr leisten. Er mußte dem lokkenden Ruf folgen. Mit fahrigen Fingern betätigte er die Schaltung des Gravo-Paks. Aber Roi Danton hatte ihn beobachtet. Er schlug Boris die Hand beiseite. „Hiergeblieben!" schrie er. „Laß mich!" bettelte Boris. „Ich kann nicht mehr..."
Aus den Helmempfängern tönte ein greller Schrei. „Xii!" rief Roi Danton. „Was ist los?"
Es kam keine Antwort. Während Rois Aufmerksamkeit abgelenkt war, wollte Boris sich davonstehlen. Im Augenblick war nur sein eigenes Verlangen wichtig. Er wollte, er mußte in den Tunnel hineinfliegen, um den Ort zu finden, von dem die Stimme ausging.
Aber bevor er das G-Pak noch vektoriert hatte, geschah etwas Seltsames: Das Bild vor seinen Augen begann zu verschwimmen. Die Konturen des Tunneleingangs, die Umrisse der Felsblöcke, das Gestein der Geröllhalde - sie alle begannen zu wabern und zu fließen, als wären sie Spiegelbilder auf einer bewegten Wasseroberfläche. Die fmstere Tunnelöffnung dehnte und streckte sich, bis sie zu beiden Seiten über die Begrenzung des Blickfelds hinausreichte. Im nächsten Augenblick zog sie sich wieder zusammen und wurde zu einem schmalen, düsteren Schlitz in einem purpurn schimmernden Felsen von grotesker Schlankheit.
Der Ruf!
Er ertönte kraftvoller, fordernder, lockender als zuvor. Boris war fest entschlossen, der Lockung zu folgen. Daß er infolge der verwirrten Optik nicht mehr genau sehen konnte, wohin er sich bewegte, störte ihn nicht.
Da explodierte die Szene. Sie löste sich in Hunderttausende von winzigen Bildelementen auf, die nach allen Seiten davonsprühten.
Es war, als hätte jemand mit voller Wucht einen großen Stein in einen Spiegel geworfen.
Boris spürte
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