1635 - Schach der Blauen Schlange
eine Mosto-Pflanze. Das süßliche, schwere Aroma war unverkennbar. Ronac sprang auf, fand das Gewächs kurze Zeit später inmitten einer Bauminsel und rupfte ein einziges der ausladenden Blätter herunter. Mosto-Gewebe brannte hervorragend, aber es war auch zäh und formbar. Damit hatte er genau das, was er brauchte. Er riß einen Streifen ab, drehte das grüne Pulver hinein und formte eine faustgroße Kugel. Am Eingang zur Höhle ließ er seinen Schatz zurück.
Diesmal fand er den Weg doppelt so schnell wie vorher.
Seine Augen gewöhnten sich rasch an das rote Dämmerlicht.
Bei sich hatte er den Rest des Mosto-Blattes. Und wieder förderte er grünen Staub zutage: Er arbeitete, bis er sieben Kugeln voller Staub beisammen hatte, kroch nach oben zurück und nahm auch die achte Kugel an sich. Von nun an ruhte seine Arbeit. Bis zum Abend wartete er dösend ab, dann erst wurde Ronac wieder munter und suchte den Weg zurück zum Baumdorf.
Taarnor war bereits untergegangen, und nur der riesenhafte Aszal erhellte die Ebene mit seinem roten, allgegenwärtigen Schimmer. Die Feuer des Stammes brannten schon. Vor den inneren Stellen hockten die Tedes und die Alten, in ihre Mahlzeit vertieft, und rings um die äußeren Feuer saßen kampfbereit die Männer und Frauen des Stammes. Manchmal lockte der Flammenschein Tiere an - vorzugsweise von der übelsten Sorte.
Nahe am Baum kauerten Castodom und seine Freunde. „Ho, Ronac! Du bist spät! Wieder einmal!"
Er antwortete nicht. Doch mit Befriedigung sah er, daß Castodom sich nicht erhob, daß er die fällige Strafe im Hinblick auf die Mahlzeit verschoben hatte.
Der Duft ließ seinen Magen rebellieren.
In seinen Fäusten spürte Ronac den klebrigen Saft der Mosto-Blätter. Es würde brennen, es mußte brennen! Wenn sich das Gewebe nur nicht zu sehr mit Feuchtigkeit vollgesogen hatte ...
Doch hatte man je gesehen, daß Mosto in einem Feuer nicht aufloderte und verglühte? Und daß es dabei nicht so heiß wurde, daß man von den Feuerstellen abrücken mußte? „Was stehst du da, Ronac? Du hast keinen Hunger? Gut, dann verteilen wir deine warmen Tsuin-Wurzeln an die Tedes."
Die Stichelei des Stärksten gab den Ausschlag. Er trat noch ein paar Schritte vor, dann schleuderte er aus seiner linken Faust den ersten Ballen in Richtung Feuer. Die Kugel blieb am Rand der glühenden Zweige liegen. Castodom und seine Leute waren aufgesprungen, sie schauten verblüfft, reagierten aber nicht weiter. Nur fragende Blicke trafen Ronac. „Was zum ..."
Die zweite Kugel.
Und diesmal saß der Wurf direkt im Ziel. Mit einem hellen Lodern geriet das Mosto-Gewebe in Brand. In derselben Sekunde barst das Feuer in einer schrecklichen Explosion auseinander. Castodom und die anderen wurden hoch in die Luft geschleudert. Sogar die Männer und Frauen an den Nachbarfeuern kippten zur Seite, schrien plötzlich, warfen sich in Deckung. Eine Sekunde lang sah er gar nichts mehr, so sehr flimmerte der Blitz in seinen Augen nach. Indessen waren die Körper zu Boden gefallen. Keiner regte sich mehr. Nur ihr weißliches Blut sickerte in den Boden. Der Baum brannte an drei oder vier Stellen, an denen das Blattwerk besonders niedrig hing. Jemand sprang hin und riß die Zweige ab.
Ronac stieß fassungslos ein zischendes Geräusch aus.
Er hatte gewußt, wie das Pulver mit Feuer reagierte. Aber etwas wissen und etwas kennen, das waren zwei unterschiedliche Dinge.
Er schluckte seine Hemmungen hinunter und näherte sich vorsichtig Castodom. Ein Körper ohne Leben, als habe ein Schwärm von Brutinsektos ihn gelähmt und ausgesaugt. Sogar aus den Ohren blutete es, und die Arme und Beine standen in seltsamen Winkeln vom Körper ab. Er war wirklich tot. Ronac konnte es nicht begreifen. Von dem, der ihn jahrelang gequält hatte, war nicht mehr als eine leere Hülle übrig.
Und allmählich erwachte in ihm der Triumph. Mit leuchtenden Augen drehte er sich um die eigene Achse. Er betrachtete die zerfetzten Leiber, die brennenden Borkenballen und die verstreuten Überreste der Mahlzeit. „Er schleudert Feuer", murmelten die Überlebenden des Stammes entsetzt. „Er war bei den N'Akona!"
„Erweist ihm Ehre, oder er wird uns alle töten...„ Ronac sonnte sich förmlich in der plötzlichen Achtung, die ihn umhüllte wie ein warmes Fell in kühler Nacht Er ballte beide Fäuste und stellte sich vor, die ganze Ebene zu beherrschen; mit diesen Händen, die nun töten konnten, ohne daß sie einen Keil umklammert
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