1637 - Gefangene der Zeit
gekommen? Oder sollen wir dir sagen, was wir vermuten?"
„Daß die Raumzeitfalte dazu neigt, eine Eigendynamik zu entwickeln", begann der Wissenschaftler vorsichtig, „haben wir schon früher vermutet.
Ich sehe daneben aber noch zwei Veränderungen. Ich will nicht ausschließen, daß diese beiden und die Eigendynamik voneinander unabhängig sind."
Der Nexialist wollte etwas sagen, aber Tarc Bottam gab ihm zu verstehen, daß er warten solle. „Die Raumzeitfalte wurde von innen verriegelt", überlegte Myles Kantor laut weiter. „Möglicherweise sogar durch Paunaro selbst. Oder durch Sato Ambush. Die helleren Bereiche deuten an, daß die Verriegelung brüchig wird. Die fast problemlose Passage eurer Sonde unterstreicht das. Die Frage ist, ob die Verriegelung nachläßt. Oder ob die ganze Raumzeitfalte sich aufzulösen beginnt. Kann man nichts aus den Meßdaten entnehmen?"
„Wenig", antwortete der Haluter. „Aber eins doch. Die relativ einfache Rückkehr der Sonde - von den Beschädigungen einmal abgesehen - hat nichts zu tun mit dem Eindringen in die Raumzeitfalte. Die Meßwerte von hier und drüben sind, soweit wir sie überhaupt identifizieren konnten, sehr unterschiedlich.
Du solltest sie dir ansehen."
Lange Zahlen- und Symbolreihen erschienen auf einem Bildschirm. Die beiden Terraner studierten sie längere Zeit, während sich die Haluter in Schweigen hüllten. „Das ist es!" rief Boris Siankow plötzlich. „Zwei verschiedene Phänomene deuten sich an. Wie du vermutet hast, Myles. Und sie müssen nichts mit der Eigendynamik der Falte zu tun haben."
Er sortierte die Datenblöcke um. „Links haben wir die Meßwerte, aus denen sich etwas über die Stabilität der Raumzeitfalte sagen läßt", dozierte er aufgeregt. „Aus der zeitlichen Abfolge ergibt sich der Hinweis.
Das sind erste Anzeichen für eine beginnende Auflösung der Raumzeitfalte. Wodurch sie veranlaßt wird, ist natürlich eine andere Frage. Da sind wir noch auf Spekulationen angewiesen."
„Und rechts die Daten über die Verriegelung", hakte Myles Kantor ein. „Sie sind sehr lückenhaft, aber auch sie lassen einen Schluß zu. Jemand oder etwas sorgt dafür, daß die Sperre aufgeweicht wird. Vielleicht geschieht das auch ohne Einwirkung und allein durch die Zeit, die verstreicht. Und beide Vorgänge verlaufen unabhängig voneinander."
„Sehr gut, meine Kleinen", lobte Tarc Bottam. „Zu diesen Ergebnissen sind wir auch gekommen. Aber wir haben noch einen Schritt weiter gedacht. Aus den Erkenntnissen ergeben sich schwerwiegende Folgerungen."
„Richtig", erklärte der Nexialist düster, „Die Zeit drängt.
Wenn es nicht gelingt, die Raumzeitfalte so lange zu erhalten, bis die Sperre locker genug ist, können die Verschollenen nicht zurückkehren. Sie wären dann für immer verloren. Wir müssen schnell handeln."
„Und konsequent", betonte Muron Preyl. „Die Robotsonde war so zerstört, daß ein Lebewesen, auch ein Haluter, an ihrer Stelle die Passage nicht überstanden hätte. Ihr seht, die Probleme werden größer."
„Wir haben eine neue Sonde vorbereitet", erklärte Koul Laffal. „Durch sie wollen wir genauere Ergebnisse erhalten, um einen weniger gefährlichen Vorstoß wagen zu können."
„Die Lösung ist einfach", behauptete Boris Siankow vorschnell. „Dein Optimismus versetzt mich in Erstaunen", entgegnete Tarc Bottam. „Die Raumzeitfalte wird allmählich instabil", sprudelte es überhastet aus dem Nexialisten hervor. „Der Vorgang kann sich über Tage hinziehen. Er verläuft inkohärent. Ich will sagen, er verläuft nicht an allen Stellen gleichmäßig. Das erkennen wir aus den helleren Zonen. Ihr müßt die Sonde daher so programmieren oder lenken, daß sie eine der hellen Stellen ansteuert. Und daß sie auch durch diese wieder zurückkehrt.
Wenn ihr dann noch die Hyperdim-Resonatoren nicht abschaltet wie bei dem ersten Versuch, dann könnte es klappen."
„Das Kleine hat eine gute Idee!" Tarc Bottam lachte. „Eine sehr gute, würde ich sagen", meinte Koul Laffal. „Ich mache mich sofort an die Vorbereitungen. Wir müssen ein paar Dinge ändern, aber das ist kein größeres Problem. In einer Stunde müßte ich das schaffen. Die Sonde steht im Hangar. Ich eile. Preylos, würden Sie die Güte besitzen, mir zu helfen? Sie wissen, die Zeit drängt."
Es wirkte ein bißchen skurril auf Myles Kantor, wie sich die Haluter untereinander siezten. Daran würde er sich wohl nie gewöhnen.
Muron Preyl und Koul Laffal
Weitere Kostenlose Bücher