1642 - Ein Rächer aus dem Nichts
über die Ärmel ihres violetten Pullovers.
»Das kann man sich doch kaum erklären, John. Selbst ihr nicht, oder?«
»Ja, so ähnlich sieht es aus. Wir haben es mit einem Rächer zu tun, von dem wir nicht wissen, woher er kommt und wer er überhaupt ist. Jedenfalls ist er kein normales Wesen. Er kommt mir eher vor wie ein Kunstgeschöpf, das uns die Hölle geschickt hat, was aber auch nicht stimmen kann, weil er uns erklärt hat, dass er das Böse in der Welt auslöschen will. Wer so denkt, der kann nicht vom Teufel geschickt worden sein, denn er würde das Grauen in die Welt bringen.«
»Und was ist er dann?«
Mit der Kaffeetasse in der Hand schaute ich Glenda an.
»Wir wissen es noch nicht, aber ich bin sicher, dass wir noch von ihm hören werden. Darauf kannst du dich verlassen.«
Glenda dachte nach. Eine Antwort fand sie nicht. Sie hob die Schultern und ließ mich vorbei ins Büro gehen, wo Suko bereits auf mich wartete und ein nicht eben freundliches Gesicht machte.
»Was ist los?«, fragte ich.
Er hob die Schultern.
»Ich warte nicht so gern. Aber ich denke an die Zeugin, die plötzlich tot sein soll. Kannst du mir sagen, was sie mit diesem Gothic zu tun hat?«
»Nein, das kann ich nicht. Darüber haben wir auch schon geredet. Ich überlege noch, ob ich Tanner anrufen soll. Er wird den Fall nicht auf sich beruhen lassen. Ich denke schon, dass er einen Schritt weiter gekommen ist.«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil Tanner sich nicht so einfach einseifen lässt. Ich kann mir denken, dass er mittlerweile mehr über diese Loreen Sander weiß. Bevor wir uns um sie kümmern, rufe ich ihn an.«
»Tu, was du nicht lassen kannst.«
Das klang nicht eben optimistisch. Wenn ich ehrlich sein wollte, war ich das auch nicht. Einen Versuch war es wert. Immer noch besser, als frustriert im Büro zu hocken.
Tanner war im Dienst, und als er meine Stimme hörte, da kippte seine Stimmung.
»Es ist zum Verzweifeln, John. Ich bin nicht weitergekommen und hänge hier fest. Zudem habe ich ein Problem mit der Glaubwürdigkeit. Um etwas zu bewegen, muss ich Fakten haben. Die gibt es zwar, doch damit kann ich nicht hausieren. Niemand außer euch nimmt mir die Aussagen der Zeugin ab, die sich jetzt zudem als tot herausgestellt hat. Das macht mich fast krank.«
Ich glaubte ihm und musste ihm leider erklären, dass auch wir nicht weitergekommen waren.
»Es bleibt uns nichts anderes übrig, wir müssen auf den großen Unbekannten warten und darauf, dass er wieder zuschlägt. Dass es dabei Tote gibt, ist wohl nicht zu vermeiden.«
Da gab ich ihm recht und wollte wissen, ob schon irgendetwas Ungewöhnliches passiert war.
»Nein, keine Meldungen, die uns aufschrecken könnten. Die letzte Nacht ist, wenn man das so sagen darf, normal verlaufen. Jetzt kann ich nur hoffen, dass ihr diesen Rächer noch mal zu Gesicht bekommt und er euch nicht wieder entwischt.«
»Ja, das denken wir auch.« Ich legte den Hörer wieder auf und hörte Sukos Frage.
»Hast du dir weiterhin Gedanken darüber gemacht, woher er gekommen sein könnte?«
»Ja, das habe ich. Aber es gibt keine Erklärung. Eine andere Dimension und…«
»Die der Engel?« Suko lächelte, als er mein Stirnrunzeln sah. »Ich denke da eher an einen Ableger der normalen Engelwelt. So eine Mischung zwischen Himmel und Hölle. Aber nicht Aibon.«
»Ja, kann alles sein«, erwiderte ich und war innerlich leicht sauer.
Dann stand ich auf. Ich brauchte noch einen zweiten Kaffee und ging ins Vorzimmer zu Glenda, die mich aus ihren großen Augen anschaute und das Wort Frust erwähnte.
»Stimmt genau.« Ich schenkte mir die Tasse voll. »Vielleicht hilft er dagegen.«
»Bestimmt. Ich habe ihn mit Glückshormonen versetzt.«
»Oh, wie sehen die denn aus?«
Um eine Antwort kam Glenda Perkins herum, weil im Büro nebenan das Telefon anschlug. Suko hob diesmal ab.
Ich wanderte mit meiner vollen Tasse zu meinem Platz, warf auch einen Blick auf meinen Freund und sah, dass sein Gesicht starr geworden war.
Eine Frage stellte ich nicht. Aber ich setzte mich auch nicht, als Suko sagte: »Wir sind schon unterwegs.«
»Was ist denn los?«
Der Inspektor schnappte seine Jacke.
»Johnny Conolly hat angerufen. Den Grund erkläre ich dir unterwegs…«
***
Auch der Mann mit dem Messer war nicht blind und hatte gesehen, wie sich die Lage entwickelte. Urplötzlich stand er im Mittelpunkt. Sein eigentliches Vorhaben hatte er vergessen, denn jetzt musste er sich um ein Geschöpf kümmern,
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