1643 - Die Templer-Katakombe
van Daal zurückgehen und ihm erklären, dass es hier nichts zu finden gab? Dass er einer Finte aufgesessen war?
Es wäre das Vernünftigste gewesen, und trotzdem traute sie sich nicht.
Der Südafrikaner wollte den Erfolg. Er würde ihr nicht glauben und sie in eine Reihe mit ihrem ermordeten Vater stellen. Und deshalb gab es nur eine Lösung.
Er musste selbst in die Katakombe kommen und sich hier umschauen.
Ellen setzte ihren Gedanken sofort in die Tat um. Sie drehte sich um und ließ die Lampe eingeschaltet, als sie den Weg zurück nahm.
Je länger sie ging, umso nervöser wurde sie. Sie wusste nicht, wie Orry van Daal reagieren würde. Möglicherweise würde er ausrasten und ihr nicht glauben.
Auf den letzten beiden Metern knipste sie die Lampe aus und bahnte sich durch das Buschwerk einen Weg ins Freie.
Orry van Daal hatte nichts gehört. Er wartete noch an derselben Stelle, hielt jedoch ein Handy gegen sein Ohr gedrückt und sprach hin und wieder einen knappen Satz. Leider verstand Ellen Radix nicht, was er sagte. Sie war zu weit weg, und bevor sie sich näher an den Glatzkopf heranschleichen konnte, brach er das Telefonat ab.
»Hallo…«
Van Daal schrak zusammen, als er die Stimme der Frau hörte. Er fuhr herum, seine Augen weiteten sich.
»Du…?«, flüsterte er.
»Ja, ich.«
»Du bist schon wieder zurück?« Ellen nickte.
Van Daal holte tief Luft. Dann hatte er eine Entscheidung getroffen.
Geduckt und mit langsam gesetzten Schritten ging er auf die junge Frau zu. Sein Gesicht zeigte plötzlich einen verschlagenen Ausdruck. Er hielt die Hände zu Fausten geballt und machte den Eindruck, als wollte er Ellen im nächsten Moment ins Gesicht schlagen.
Sie ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. Sie blieb auf der Stelle stehen und ließ ihn nicht aus dem Blick, wobei sie nicht die Spur von Angst zeigte.
Dicht vor ihr blieb er stehen. »Was ist los? Warum bist du schon zurück?«
»Weil es nichts Interessantes in der Katakombe zu sehen gibt. Deshalb stehe ich hier.«
»Du lügst!«, fuhr er sie an.
»Nein, es ist die Wahrheit, die reine Wahrheit.«
»Hast du keinen Ofen gesehen? Keinen Athanor?«
»Was ist das?«
»Der alchemistische Ofen und darüber die Retorte, in der sich das Gold sammeln kann und…«
»Nein, das habe ich nicht gesehen«, erklärte sie fast heiter.
Van Daal schüttelte den Kopf. »Dann ist die Katakombe also leer?«
»Das nicht.«
»Aha!«, knirschte er.
Ellen Radix winkte lässig ab. »Was ich dort gesehen habe, hat nichts mit Gold zu tun. Begreifen Sie das endlich. Es war ein trocken gelegter Brunnen, das ist alles.«
Der Glatzkopf glotzte sie an. Seine glatten Wangen zuckten, und er flüsterte: »Du legst mich nicht rein. Du bist wie dein Alter. Der hat es auch versucht und nicht geschafft. Deshalb wird es dir genauso ergehen wie ihm. Dein Plan ist gescheitert.«
»Welcher Plan?«
»Mich aus dem Spiel zu bringen.« Ellen musste lachen. Sie konnte nicht anders. Sicherheitshalber trat sie einen Schritt zurück, denn van Daal sah aus, als stünde er kurz vor dem Durchdrehen.
»Okay, schließen wir einen Kompromiss. Wenn Sie mir nicht trauen, gehen wir gemeinsam in die Höhle und schauen uns an, ob ich gelogen habe oder nicht.«
Orry van Daal überlegte. Er suchte den Blick der jungen Frau und wollte wohl herausfinden, ob sie falschspielte. Erkennen konnte er nichts. Sie schaute ihn offen an.
»Kein Gold?«, flüsterte er.
»Nein.«
»Auch keinen Hinweis darauf?«
»Ich habe nichts gesehen. Aber Sie können sich gern selbst davon überzeugen.«
»Ist gut.«
Ellen rechnete damit, dass sie gemeinsam die Höhle betreten würden.
Doch so weit war es noch nicht. Er holte sein Handy hervor und nahm Verbindung mit seinen Leuten auf.
Ellen wusste noch immer nicht, wie viele es waren. Vielleicht drei oder vier, jedenfalls hatte er sie als Wachtposten zurückgelassen, und er sprach kurz mit einem von ihnen. Dabei erklärte er, was er vorhatte.
Sekunden später war er bereit, in die Katakombe zu gehen. Bevor er das tat, nahm er sich die Frau noch einmal vor.
»Wenn du mich angelogen hast oder irgendetwas geplant hast, wird es dir ebenso ergehen wie deinem Alten. Ich bin nicht auf der Welt, um ein Messias zu sein. Es geht mir ums Geschäft. So hell das Gold auch glänzen mag, was darum herum passiert, kann oft sehr böse sein.«
»Das weiß ich.«
»Dann richte dich danach.«
Ellen Radix spürte, dass ihr Mund trocken geworden war, und sie wusste auch, dass
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