1643 - Die Templer-Katakombe
können. Er konzentrierte sich nicht auf den Brunnen, für ihn waren die Wände wichtiger, die tatsächlich aussahen, als hätten Menschen daran Hand angelegt.
Sehr glattes Gestein, versehen mit Nischen, die zum oberen Ende hin spitz zuliefen.
»Das hat doch etwas zu bedeuten!«, flüsterte van Daal, der nicht vergaß, in jede Nische zu leuchten. Er wollte einfach nicht kapieren, dass sein Weg umsonst gewesen war.
Er entdeckte nichts von dem, was er sich vorgestellt hatte. Der Lichtkegel traf nur das Gestein, das so blank schimmerte wie eine dunkle Spiegelfläche.
Ellen Radix gefiel die Stille nicht. Deshalb sagte sie: »Ich gehe davon aus, dass vor langer Zeit hier Menschen gewesen sind und sogar experimentiert haben. Der Ort ist ideal für Versammlungen, aber ich glaube nicht, dass sie Gold hergestellt haben. Daran sind alle Versuche bisher gescheitert.«
»Halt deinen Mund, ich bin noch nicht fertig. Ich werde hier alles untersuchen, auch den Brunnen.«
»Aus ihm wird kein Gold fließen. Nicht mal Wasser, denn der ist trocken gelegt worden.«
»Ich will nichts mehr hören, verdammt!«
Ellen hielt den Mund. Sie hatte gemerkt, dass van Daal immer wütender wurde, und sie wollte es nicht so weit kommen lassen, dass er seine Wut an ihr abreagierte.
Er hatte jetzt die hintere Wand erreicht. Sie war im Gegensatz zu den Seitenwänden völlig glatt. Es gab nicht mal den Ansatz einer Nische.
Etwa in der Mitte hielt der Mann an und richtete seinen Lampenstrahl direkt auf das Zentrum. Das Licht traf eine bestimmte Stelle und hinterließ dort einen Kreis. Auch das war nichts Besonderes.
Aber dann passierte etwas, das auch Ellen aufmerksam werden ließ, denn das Licht breitete sich aus. Zuerst dachte sie an eine Täuschung, ging dann näher, um sich dieses Phänomen genauer anzuschauen, und sie spürte plötzlich in ihrem Magen einen Druck, der bis zur Kehle wanderte.
Was da geschah, war für sie nicht zu erklären. Auch sie leuchtete jetzt gegen die Wand und traf auch nur einen geringen Ausschnitt. Aber es passierte etwas, was nicht hätte passieren dürfen, denn das Licht breitete sich aus. Es schien zu zerfließen und war dabei, die gesamte Fläche auszuleuchten, was auch van Daal bemerkt hatte und anfing zu lachen. Seine Reaktion klang ungläubig, und als er sprach, da redete er mehr mit sich selbst.
Ellen hörte nicht auf ihn. Sie stand auf der Stelle und staunte. Nicht weit von sich entfernt hörte sie die heftigen Atemstöße des Südafrikaners, der mit diesen Phänomen seine Probleme hatte.
Aber er sprach Ellen an. »Siehst du das? Das entsteht in der Wand. Das ist nicht normal. Wir leuchten sie doch nicht zur Gänze an, und trotzdem ist sie hell geworden. Das muss von innen kommen, verstehst du? Nur von innen.«
»Aus der Wand?«
»Du hast es erfasst«, flüsterte van Daal. »Ich denke, dass wir dem Gold auf der Spur sind. Ja, es muss etwas mit dieser Katakombe zu tun haben, und sogar mit dieser Wand.«
Ellen Radix widersprach nicht mehr. Bei ihrem ersten Besuch hatte sie diese Entdeckung nicht gemacht, jetzt bekam sie große Augen und fragte sich, was noch folgen würde. Hatte der Bewohner der Höhle damals tatsächlich Gold hergestellt? Sie wollte nicht daran glauben, doch jetzt kamen ihr Zweifel an ihrer eigenen Überzeugung.
Das Licht oder die Helligkeit hatte die gesamte Wand erfasst. Es kam ihr zudem nicht mehr normal vor. Es gab keine Lampen in der Wand oder dahinter, die angeknipst worden wären. Dass sie erhellt worden war, glich einem Phänomen.
Van Daal starrte die Wand an wie jemand, der sie anbeten wollte. Seine Augen waren leicht verdreht, als er zu Ellen sprach.
»Siehst du das? Schau genau hin. Das ist kein normales Licht, wenn du es mal mit dem aus unseren Lampen vergleichst. Das ist etwas ganz anderes, und es hat eine andere Farbe.«
Sie musste ihm zustimmen. Aus den Lampen strömte der weiße Strahl.
Das Licht aber in der Wand sah anders aus.
»Es ist gelb«, flüsterte sie gegen ihren Willen.
»Jaaa…«, jubelte van Daal. »Es ist gelb, aber es ist noch mehr. Ich würde sagen, dass es golden ist…« Er legte den Kopf zurück und lachte schallend gegen die Decke.
»Ja«, schrie er dann. »Es ist nicht gelb, es ist golden! Wir haben es gefunden. Hier ist das Gold. Wir stehen vor ihm. Der Stein der Weisen, wir haben ihn gefunden…«
***
Wir betraten einen finsteren Gang und hätten eigentlich unsere Lampen einschalten müssen. Darauf konnten wir verzichten, denn kaum
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