1644 - Sturm auf Wanderer
einen Sessel sinken. Er fuhr mit der Hand über die Augen. Das genossene Bier machte müde. „Was ist, wenn das alles nur ein Schachzug in einem raffinierten Spiel ist?"
„Du meinst die Blaue Schlange?"
„An sie müssen wir auf jeden Fall auch denken. Sie könnte einen kopflosen Run der Jäger der Unsterblichkeit provozieren, um Vorteile für sich selbst daraus zu ziehen."
Ronald Tekener trank etwas Wasser. „Und was machen wir?"
„Eine große Auswahl an Möglichkeiten haben wir nicht. Ich schlage vor, wir nehmen die Nachricht ernst und überwachen sämtliche Frequenzen. Darüber hinaus müssen wir uns auf einen Sturm auf Wanderer vorbereiten. Allerdings weiß ich jetzt noch nicht, was wir in einem solchen Fall tun können."
Henna Zarphis blickte ihre Klonschwester entsetzt an. „Das kannst du nicht machen", sagte sie. „Du kannst nicht einen ganzen Planeten mit allem Leben vernichten, nur weil diese Männer nicht mit der Reparatur fertig werden."
„Was nieinst du, was mit uns geschieht, wenn wir in die Hände unserer Verfolger fallen?" erwiderte Alnora Deponar kalt und abweisend. „Dann ist es aus mit uns. Sollen sie sich also beeilen bei der Reparatur, so daß wir rechtzeitig starten und verschwinden können! Mehr will ich ja gar nicht."
„Und mit so einer Drohung glaubst du, es erreichen zu können!" Henna hatte Mühe, ihre wahren Gefühle für Alnora zu verbergen. Es fiel ihr schwer, noch länger mit ihr am Tisch zu sitzen und zu essen. Der Appetit war ihr vergangen, und die Nähe ihrer Klonschwester bereitete ihr Übelkeit.
Alnora Deponar ließ sich im Gegensatz zu ihr den Appetit nicht verderben. Sie schaltete einen der Monitore am Tisch ein und befahl Gendal Jumphar, den Weltraum mit erhöhter Aufmerksamkeit zu überwachen. „Sobald sich irgendwo Raumschiffe zeigen, die Kurs auf Veryn halten, will ich informiert werden", schloß sie. Dann schaltete sie aus und wandte sich einem zarten Stück Fleisch zu. Sie biß davon ab, behielt den Bissen auf der Zunge, schloß die Augen und widmete sich ganz dem Genuß. „Köstlich", schwärmte sie. „Einfach unvergleichlich!"
Sie schien keine Furcht zu kennen. Lächelnd griff sie nach einer eiförmigen, blauen Frucht und drehte sie langsam zwischen den Fingern. „Weißt du eigentlich, daß dieses Obst das Erbe einer uralten Kultur ist, die es einmal auf diesem Planeten gegeben hat?" fragte sie. „Sie ist schon vor Jahrhunderten untergegangen. Nur diese Frucht und eine Reihe von Felsenzeichnungen ist von ihr geblieben. Die Zeichnungen geben Zeugnis dafür, wie diese Frucht unter unvorstellbaren schweren Umständen gezüchtet worden ist, man kannte schließlich keine Gen-Technik, und wie sie die ganze Kultur dieses Volkes geprägt hat. Sie hat...
Henna Zarphis hörte nicht mehr zu. Ihre Gedanken drehten sich nur noch um den bevorstehenden Sturm auf Wanderer, den Alnora inszenieren wollte und bei dem eine noch unbekannte Zahl von Jägern der Unsterblichkeit sterben würden.
Vergeblich dachte sie darüber nach, wie sie ihn verhindern konnte.
Im Grunde genommen gibt es nur einen wirklich sicheren Weg, es nicht zu diesem Ansturm auf Wanderer kommen zu lassen, dachte sie verzweifelt. Ich muß Alnora vorher töten!
Wenn ihre Klonschwester tot war, gab es niemanden mehr an Bord der MAGENTA, der sich für einen Spiegelgeborenen hielt und der glaubte, aus diesem Grund unbedingt zum Kunstplaneten Wanderer gehen zu müssen. „Du hörst mir ja gar nicht zu", sagte Alnora plötzlich.
Henna Zarphis schreckte aus ihren Gedanken auf. „Verzeih", stammelte sie.
Ihre Klonschwester schob ihren Teller zur Seite und tupfte sich die Lippen mit einer Serviette ab. „Wir sehen uns später", bestimmte sie. „Du gehst jetzt in deine Kabine."
Sie lächelte zynisch. „Du kannst auf die Entscheidung warten. Sie fällt in etwa zwei bis drei Stunden. Spätestens."
„Und was ist dann?" fragte Henna. „Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir starten, oder wir gehen mit dem ganzen Planeten bei der Explosion einer Arkonbombe unter."
Henna blieb erstaunlich kühl. Sie erhob sich und ging zur Tür. „Wie du willst, Schwesterchen", sagte sie verächtlich. „Es könnte sein, daß ich die Nervenanspannung und die Ungewißheit nicht ertrage. Aber das erfährst du ja in zwei oder drei Stunden. Spätestens."
„Was willst du damit sagen?"
„Daß du deine Träume von der Unsterblichkeit endgültig begraben kannst, wenn ich mir bis dahin das Leben genommen
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