1649 - Niemals sterben
klärte mich zwischendurch auch nicht auf. So musste ich warten, bis sie das Gespräch beendet hatte und den flachen Apparat neben den zum Glück fast leeren Teller legte.
Man konnte nicht eben behaupten, dass Jane Collins glücklich aussah.
Hätte die Bedienung es gesehen, sie hätte denken können, dass Jane das Essen nicht geschmeckt hatte.
»Und?«, fragte ich nur.
Jane krauste die Stirn. »Sie ist wieder da.«
Erst schluckte, dann staunte ich. »Ja, John, das hat sie mir gesagt.«
»In deinem…«
Jane ließ mich nicht zu Ende sprechen. »Ja, in meinem Haus. An alter Stelle. Als wäre nichts gewesen.« Sie lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf.
»Was hat sie denn sonst noch gesagt?«, wollte ich wissen. »Du hast doch länger mit ihr gesprochen.«
»Sie hat mir noch mitgeteilt, dass sie nicht allein ist. Justine brachte eine Besucherin mit.«
»Oh; Auch eine…«
Jane ließ mich nicht ausreden. »Hat sie mir nicht gesagt, ob es sich um eine Artgenossin handelt. Jedenfalls ist es eine weibliche Person. Den Namen weiß ich auch. Marlene Dawson.«
Ich musste nicht lange nachdenken, um eine Antwort zu geben. »Sorry, der Name sagt mir nichts.«
»Mir auch nicht.«
»Hat sie nicht den Grund gesagt, weshalb sie diese Person mitbrachte?«
»Nicht genau. Ich muss da schon raten. Es ist meine Interpretation, wenn ich sage, dass sie sich in gewisser Hinsicht als Schutzperson dieser Marlene gegenüber fühlt. Das ist zwar komisch und irgendwie kaum vorstellbar, aber immerhin müssen wir akzeptieren, dass jemand wie Justine oft neue Wege geht.«
Das war wohl wahr. Ich sah, dass Jane ihren Teller zur Seite schob und einen letzten Schluck Wein trank.
»Ich denke, dass wir auf den Nachtisch verzichten sollten«, sagte sie dann.
»Oder wie siehst du das?«
»Gut. Fahren wir zu dir nach Hause. Mal schauen, was uns die Nacht noch bringt.«
***
Die Blutsaugerin Gilda fühlte sich stark. Und das, obwohl sie lange Zeit in der Tiefe eines Brunnens verbracht hatte, nachdem sie aus der Vampirwelt vor deren Verschwinden entlassen worden war. Sie wusste, dass sie nicht allein war, denn ihr Herr und Meister, Dracula II oder auch Will Mallmann, hatte seine Vorbereitungen getroffen, um auch dann indirekt präsent zu sein, wenn es ihn nicht mehr geben sollte.
Dann waren alle Blutsauger auf sich allein gestellt. Sie würden sich erst mal zurechtfinden müssen, um möglicherweise etwas aufzubauen, was in seinem Sinne war.
Der Brunnen als Versteck war für sie ideal gewesen. Und sie dachte daran, was Mallmann ihr und den anderen Blutsaugern beigebracht hatte. Es war oft wichtig, sich die Menschen zunutze zu machen und in ihnen nicht nur den Nahrungsträger zu sehen. Als Veränderte waren sie in der normalen Welt Fremde. Da sollte man nicht so arrogant sein und auf Hilfe verzichten. Man musste die Menschen an neue Situationen gewöhnen, und genau daran hatte sich auch Gilda gehalten.
Sie war auf Hank getroffen. Auf einen einsamen und verbitterten Mann, der kaum Freunde hatte und am Rand eines kleinen Ortes lebte. Zu seinem Grundstück gehörte auch der Brunnen, der für Gilda ein ideales Versteck war.
Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie zum ersten Mal auf den Mann getroffen war. Eigentlich hatte sie ihn leersaugen wollen, es aber dann gelassen und an das gedacht, was ihr Mallmann mit auf den Weg gegeben hatte.
So hatte sie sich zusammengerissen, was sie wiederum eine wahnsinnige Überwindung gekostet hatte. Hank wusste, wie sie war, und er wusste auch, dass sein Leben in ihrer Hand lag.
Deshalb war es ihm nicht schwergefallen, ihrem Vorschlag zuzustimmen.
Das Versteck im Brunnen war perfekt gewesen. Niemand hatte dort eine Vampirin vermutet. Zudem war der Schacht tief genug, um das Tageslicht versickern zu lassen.
In der Nacht hatte sie ihn dann verlassen. Ihr Durst war immer größer geworden. Sie brauchte Blut. Es fiel ihr schwer, sich zusammenzureißen, wenn sie Hank gegenübergestanden hatte.
Irgendwann war dann Schluss gewesen.
»Ich will Blut! Ich muss es haben!«
Hank und sie hatten im Dunkeln am Tisch gesessen, nur ihre Umrisse waren zusehen.
»Und wie soll das gehen?«
»Du wirst mir helfen! Lehnst du es ab, werde ich dich leertrinken und danach zerstückeln.«
Er hatte es hingenommen und gefragt, wie er denn behilflich sein könnte.
»Das ist ganz einfach. Du wirst mir Nahrung besorgen. Am besten einen jungen Menschen, bei dem das Blut noch frisch ist. Ich gebe dir genau einen Tag Zeit.
Weitere Kostenlose Bücher