1649 - Niemals sterben
Justine? Du hast dich am Telefon nicht richtig ausgelassen.«
»Wir haben Besuch.«
»Das weiß ich.«
»Und ich denke, dass ihr Marlene Dawson kennenlernen solltet. Ach ja, und noch etwas. Ich habe ihr Leben gerettet. Wäre ich nicht gewesen, würde sie nach eurem Blut gieren. Und ich habe nur gedacht, dass sie hier besser aufgehoben ist.«
»Und warum?«, fragte ich.
»Ganz einfach, John.« Die Cavallo drehte sich um und blickte mir grinsend ins Gesicht. »Ich denke, dass die andere Seite nicht so leicht aufgeben wird und sich auf unsere Fersen setzt.«
»Bist du sicher?«
»Ich denke schon.« Sie lehnte sich gegen die Flurwand. »Die Vampirin, die Marlene aussaugen wollte, ist ein Produkt unseres vernichteten Freundes, und er wird sie, als er noch aktiv war, bestimmt vorbereitet haben. Man sollte sie auf keinen Fall unterschätzen.«
Da hatte Justine zwar recht allgemein gesprochen, aber ein Argument dagegen fand ich nicht.
»Wo ist sie?«, fragte Jane.
Justine gab die Antwort mit einer fast schon weichen Stimme. »Bitte, Jane, ich hoffe, du bist mir nicht böse. Ich dachte mir, dass sie in deiner Wohnung am besten aufgehoben ist. Ich habe ihr sogar einen Tee gekocht.«
»Oh, wie nett und hilfsbereit von dir.«
»Ja, so bin ich nun mal.« Mir ging das Gesäusel auf die Nerven. »Deine Mail haben wir erhalten.«
»Wie schön.«
»Fühlst du dich jetzt als Mallmanns Nachfolgerin? Der Text ließ auf einiges schließen.«
»Meinst du?« Die Cavallo lachte. »Nein, das auf keinen Fall. Wäre sein Blutstein nicht zerstört worden, hätte ich mich mit dem Gedanken beschäftigt. Ich hätte ihn an mich genommen und wäre wirklich ganz oben gewesen. So aber bleibe ich weiterhin ein kleines Rad im Gefüge der Blutmaschinerie.«
»Ja, das glaube ich dir.«
Die Vampirin schüttelte den Kopf. »Du solltest nicht so despektierlich reden. Man sieht dir an, dass du mir nicht glaubst, aber du darfst nicht vergessen, dass Mallmann ein Erbe hinterlassen hat. Dazu gehört auch diese Gilda, die Marlene aussaugen wollte, und viele andere sicherlich auch. Da sollte man schon nachdenklich werden. Ich stehe weiterhin auf eurer Seite.«
Diesmal gab ich keine Antwort. Die dachte ich mir. Wie lange noch?
Jane entspannte mit ihrer Bemerkung die Lage. »Ich denke, wir sollten nach oben gehen.«
»Gute Idee. Ich gehe vor.«
Wieder ärgerte ich mich über das Benehmen der Blutsaugerin. Sie tat, als würde ihr das Haus gehören. Dabei genoss sie nicht mal das Gastrecht.
Sie hatte es sich einfach nur genommen. Aber rauswerfen konnte Jane diese Unperson auch nicht.
Oben angekommen, öffnete die Cavallo sogar die Tür zu Janes kleiner Wohnung. Sie tat es nicht sehr feinfühlig, sodass die Person, die starr in einem der Sessel saß, zusammenschrak und ihre Hand gegen die Lippen presste.
»Darf ich euch Marlene Dawson vorstellen, deren Leben ich gerettet habe?«
Die Hand der Frau sank langsam nach unten. Da wurde ein fein geschnittenes Gesicht mit großen dunklen Augen freigelegt. Allerdings auch ein Mund, dessen Lippen zitterten.
Die Frau hatte ihren Mantel ausgezogen. Er lag neben ihr auf dem Boden.
Sie trug eine schwarze Hose und einen dunkelroten Wollpullover mit rundem Kragen.
Jane Collins unterbrach das Schweigen als Erste. Sie ging auf ihren neuen Gast zu, lächelte, reichte Marlene die Hand und stellte sich vor. Auch meinen Namen sagte sie, und wir sahen, dass sich die junge Frau allmählich entspannte.
Justine meldete sich aus dem Hintergrund. »Ich habe dir doch gesagt, dass du keine Angst zu haben brauchst. Wir sind zu dritt und können auf dich aufpassen.«
»Ist das eine Lösung?«, flüsterte Marlene. »Soll ich jetzt hier bleiben, bis sich alles geändert hat? Wobei ich mich frage, ob sich für mich überhaupt etwas ändern kann.«
»Bestimmt. Du wirst es sehen.« Mehr sagte Justine nicht. Sie verließ das Zimmer.
Marlene Dawson schaute Jane Collins an. »Muss ich ihr das glauben?«, fragte sie.
»Wir werden sehen.«
»Das ist auch keine Antwort.«
»Das weiß ich. Alles der Reihe nach, und da denke ich, dass Sie uns etwas zu berichten haben. Zum Beispiel wie Sie in diese lebensgefährliche Lage geraten sind.«
»Das kann ich selbst nicht fassen. Es ist für mich wie ein böser Traum gewesen.«
»Versuchen Sie es trotzdem.«
Marlene nickte. Sie wollte sich Tee einschenken. Als sie nach der Kanne griff, zitterten ihre Hände so stark, das Jane eingriff und die Tasse füllte.
»Danke.«
»Keine
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