1650 - Schrei, wenn der Albtraum kommt
»… bei allem Stress, den du hast, beneide ich dich auch.«
»Warum?«
»Du bist noch im Job. Ich aber hänge hier im Unruhestand herum. Das ist der Unterschied.«
»Das kommt auch irgendwann auf mich zu.«
»Trotzdem, ich würde gern weitermachen.«
»Dann tu mir mal den Gefallen und halte hier die Augen offen. Der Anfang ist schon gemacht. Es könnte ja sein, dass dir in der nächsten Zeit etwas anderes auffällt, das den Rahmen des Normalen sprengt. Dann habe ich für dich immer ein offenes Ohr.«
»Werde ich machen, John. Und jetzt hau endlich ab, sonst werde ich noch sentimental.«
»Keine Sorge, bin schon weg.«
Das war ich einige Sekunden später wirklich.
***
Bis zur A30 hatte ich es nicht weit. Ich musste über einige Nebenstraßen fahren und erreichte bei Blackwater die Schnellstraße. Begleitet wurde ich vom hellen Schein der Sonne, dem ich allerdings nicht traute, denn sehr schnell konnte das Wetter kippen.
Osten hieß die Richtung. Die Straße war hier recht leer, und so konnte ich Gas geben. Noch war der Himmel sonnig, doch wenn ich nach vorn schaute, dann glaubte ich, in der Ferne eine mächtige weißgraue Wand zu sehen, die nur darauf wartete, alles zu verschlucken, was in ihre Nähe geriet.
Ich freute mich darüber, dass es auch Menschen wie Patrick Cameron gab. Dass die Welt nicht nur von negativen Typen bevölkert wurde, mit denen ich immer wieder konfrontiert wurde. Männer wie Cameron waren da der große Lichtblick, und ich hoffte, dass sich der unheimliche Albtraumbringer nicht auf ihn konzentrierte, sondern mich aufs Korn nehmen würde.
Dass er mich verfolgen konnte, ohne dass ich ihn zu Gesicht bekam, lag auf der Hand. Daran dachte ich jetzt nicht, dafür telefonierte ich mit Suko über die Freisprechanlage, teilte ihm mit, wo ich mich aufhielt und sprach auch über das Wetter.
»Nebel, sagst du?«
»Ja, damit muss ich rechnen. Wie sieht es denn in London aus?«
»Nur ein wenig dunstig. Soll ich eben in den Computer schauen und dir den Wetterbericht durchgeben?«
»Wäre nicht schlecht. Dann könnte ich unter Umständen eine Ausweichstrecke nehmen.«
»Okay, ich rufe zurück.«
Noch kam ich gut voran. Ich kannte die Route auch und wusste, dass die nächst größere Stadt Bodmin war. Sie war praktisch das Tor zum Bodwin-Moor, und der Begriff Dartmoor war vielen nicht fremd.
Die Reise ging weiter. Nur äußerlich wirkte ich entspannt. Im Innern war ich es nicht, denn meine Gedanken konnten sich einfach nicht von diesem Reiter lösen. Hoffentlich sah er in mir seinen ärgsten Feind und ließ andere Menschen in Ruhe. Ich hatte ihm Schaden zugefügt und rechnete nun mit seiner Rache. Mich zu finden würde für ihn kein Problem sein, da waren sich alle Dämonen irgendwie gleich.
Suko hielt sein Versprechen und meldete sich.
»Wie sieht es aus?«
»Nicht gut, John.«
»Sag schon.«
»Ungefähr ab Bodmin wirst du Probleme bekommen. Das verdammte Moor, weißt du?«
»Hatte ich mir beinahe gedacht. Kann ich irgendwie ausweichen?«
»Kaum. Es sei denn, du fährst ganz nach Süden. An der Küste sieht es anders aus. Du musst da durch. Von der genauen Dichte des Nebels weiß ich nichts, aber lass dir Zeit. Du kannst ja irgendwo übernachten. Das ist mein Vorschlag.«
»Ich weiß. Aber darauf habe ich keinen Bock.«
»Dann zieh es durch.«
»Mal sehen.«
»Okay. Wir bleiben in Verbindung.«
Ja, das wollte ich auch. Trotzdem war ich sauer darüber, gegen die Tücke des Objekts ankämpfen zu müssen. Manchmal gibt es Tage, da kam auch alles Negative zusammen.
Noch konnte ich mich über das Wetter nicht beschweren, aber das dicke Ende würde kommen, und ich fuhr darauf zu.
Es war längst nicht mehr so strahlend hell. Erste Dunstschleier breiteten sich aus. Sie zogen als träge Schwaden über die Straße hinweg. Noch musste niemand langsamer fahren, doch lange würde ich das schnelle Tempo nicht mehr halten können. Ich musste auch damit rechnen, dass aus dem Nichts plötzlich Nebelbänke erschienen, die nicht besonders lang waren, aber wegen ihrer Undurchdringlichkeit eine tödliche Gefahr bildeten.
Das Pech hatte ich zum Glück nicht. Aber die helle Wand rückte näher.
Die ersten Fahrzeuge wurden bereits abgebremst, was auch ich tat. Viel langsamer krochen wir in die Masse hinein. Die Autos, die vor mir fuhren, verwandelten sich in kompakte Schatten. Hinzu kam, dass der Dunst viele Geräusche schluckte, und so wurde es in meiner Umgebung fast geisterhaft still.
Manche
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