1652 - Im Netz des Quidor
haben allerdings den Vorteil, daß sie ihre Todeszeit nicht wissen und daher kaum daran denken. Du weißt dies nicht nur, du bist nicht mehr weit davon entfernt.
Was sollst du nun tun in der dir verbleibenden Zeit? Gibt es nicht andere Dinge, die wichtiger wären? Solltest du nicht etwas tun, das dir viel bedeutet und das du schon immer tun wolltest?
Vielleicht löst sich ja alles in Wohlgefallen auf, wenn die Zeit überschritten ist, und du bist immer noch am Leben. Aber wenn es nicht so ist - gibt es dann nicht viel zu bedauern? „Zu bedauern ist nur die Tatsache, daß ich ein alter Narr bin", unterbrach Reginald Bull laut seine Gedanken. „Ich wüßte nicht, was ich Besseres tun könnte, als an diesem Spiel teilzunehmen. Wenn es eben so sein soll, ist jeder Augenblick so gut wie der andere. Das ganze Leben ist ein Spiel, und es wäre nicht das erste Mal, daß ich gewinne."
Oder verliere, flüsterte noch einmal die Stimme des Alptraums in ihm, aber er brachte sie zum Schweigen.
*
Kendor brachte Bull mit einer kleinen Fähre auf den sechsten Planeten des Lakoor-Systems, den er Zadus nannte. Es war eine atmosphärelose Eiswelt, ein lebloser, eisiger Brocken, der mit mächtigen Kuppeln, die sich über die ganze Oberfläche verteilten, bewohnbar gemacht worden war. Die Fähre wurde mit einem Leitstrahl in einen Hangar gezogen, und Kendor deutete auf eine Schleuse. „Dort hindurch, Freundchen, dann bist du schon mitten im Geschehen. Ich verlasse dich jetzt. Sobald du die Kuppel betreten hast, geben wir die Verbindung zum Netzwerk frei, und du kannst Kontakt mit deinen Leuten aufnehmen. Das Spiel beginnt. Alles Gute."
Bull verließ die Fähre mit gemischten Gefühlen und ging langsam durch die Schleuse. Als sich das letzte Schott zur Kuppel hinter ihm schloß, stieß er einen entsetzten Schrei aus und brach von Krämpfen geschüttelt zusammen; seine Hände krallten sich verzweifelt an dem Helm fest und versuchten ihn herunterzureißen.
Sein Gehirn wurde schlagartig von Tausenden verschiedener Gedanken und Gefühle überflutet, er hatte das Gefühl, sein Kopf würde in Stücke gerissen. Halb wahnsinnig vor Schmerz und Grauen, schlug er gegen den Helm und schrie und schrie; sämtliche Systeme des Anzugs arbeiteten auf Hochtouren, konnten jedoch seinem gequälten Verstand zunächst nicht helfen. Schließlich drückte sich ein Schlauch in seine Nase und sprühte mit Hochdruck ein betäubendes Mittel hinein, das die Nervenreaktionen stark verlangsamte, ihn aber bei Bewußtsein ließ. Sein Körper erschlaffte, und ein watteartiger Nebel legte sich über seinen Verstand und drängte die fremden Gedanken und Gefühle zurück. Halb benebelt spürte er Hände, die ihn packten und aufsetzten, und er versuchte einen klaren Blick zu bekommen, um seine Helfer erkennen zu können.
Es waren zwei: der eine ein sehr langes, sehr dünnes, noch durch den Anzug weiß leuchtendes Wesen mit jeweils zwei ebenfalls sehr langen und dünnen Beinen und Armen mit dreigliedrigen Händen; sein Kopf bestand aus zwei großen, silbrig schimmernden Fischaugen und einem langen, schmalen Rüssel, aus dem eine dicke graue Zunge herausragte, die sich unglaublich schnell bewegte und dabei feucht schmatzende Geräusche erzeugte. Das andere Wesen war klein und rund und sah aus wie eine Kröte, und es quakte auch so. Offensichtlich konnte für jedes Lebewesen problemlos ein passender Callon hergestellt und angepaßt werden, sogar die Helme, die bei ausreichender Beleuchtung durchsichtig waren und den Kopf des Wesens darin gut zeigten.
Nachdem Bull ein paar Worte zu seinen Helfern gesprochen hatte, hatten sich die Translatoren eingestellt und ermöglichten problemlos eine Verständigung. „Das geht jedem neuen Spieler so", erläuterte das dünne Wesen. „Sie warnen einen nicht davor.
Ich heiße übrigens Sch'mck, und der hier heißt Quonn."
„Ich dachte, ich würde wahnsinnig", sagte Bull. Er konnte nur langsam sprechen, aber die Wirkung des Mittels ließ schon allmählich nach. „Was kann ich dagegen tun?"
„Du wirst es ziemlich rasch lernen, die anderen aus deinem Kopf herauszuhalten und nur mit dem zu kommunizieren, den du auch willst", antwortete Quonn. „Der Callon hat sich jetzt darauf eingestellt und wird dich dabei unterstützen. Wenn du dich entsprechend darauf konzentrierst, folgt der Anzug jedem deiner Befehle. Du bist nahezu unschlagbar damit."
„Ich denke, so muß sich ein Mutant fühlen, der mit seinen Kräften nicht
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