1653 - Der schöne Schein des Bösen
mich vergessen. Aber ich bin noch da. Personen wie ich sterben nicht, sie sind für die Ewigkeit geboren. Meine Zeit ist erneut gekommen. Ich habe das Böse erlebt, aber ich werde vor dem Bösen warnen.«
»Und weiter?«
Sie schüttelte den Kopf, hob dabei den rechten Arm und ließ mich auf ihre Hand schauen. »Hütet euch. Seid vorsichtig. Der Tod kann immer zuschlagen.«
Sie hatte die wenigen Worte nur geflüstert, doch ihre Wirkung blieb nicht aus. Ich verspürte einen kalten Schauer, der über meinen Rücken nach unten rann.
Bisher hatte ich sie noch nicht angefasst. Von Bill wusste ich, dass ich es bei ihr mit einer neutralen Haut zu tun hatte, und das wollte ich selbst herausfinden.
Deshalb schob ich mich näher, streckte zugleich meinen rechten Arm aus und fasste sie in Höhe des linken Ellbogens an.
Zuerst geschah nichts. Die Haut entsprach der Beschreibung meines Freundes.
Warum ich sie nicht losließ, wusste ich selbst nicht.
Vielleicht war es vorgesehen, dass etwas passierte, denn urplötzlich fing sie an zu strahlen.
Es war kein Licht, das sie erfasst hatte, es war eine seltsame Helligkeit, die aus ihrem Innern kam und den gesamten Körper erfasste, sodass sie aussah wie eine Kunstfigur.
Zugleich erwischte die andere Kraft auch mich. Es war nur ein Sekundenbruchteil an Zeit, der mich - den Eindruck hatte ich zumindest - zu einem anderen machte.
Ich hatte das Gefühl, mich selbst aufzulösen.
Das Kreuz schien auf meiner Brust in Flammen zu stehen, und ich verlor den Überblick.
Dazu gab es in mir keinen Widerstand mehr, ich konnte nicht verhindern, dass ich in die Knie sackte und ich mich auf dem kalten Boden wiederfand.
Und dann war ich weggetreten…
Lange war ich nicht außer Gefecht gewesen. Bestimmt nicht mal eine halbe Minute.
Diese Zeit hatte Bill Conolly genutzt und war von der Haustür aus auf mich zugelaufen.
Ich lag noch am Boden, und ich fühlte mich wie jemand, der von einem elektrischen Schlag erwischt worden war.
Es war mir kaum möglich, meine Gedanken zu sortieren. Irgendwie war ich kein Mensch mehr, denn die Gefühle waren mir genommen worden.
Aber sie kehrten zurück. Und daran hatte mein Freund Bill Conolly seinen Anteil. Er kniete nicht nur neben mir, er sprach mich auch an.
»He, John, was ist? Komm wieder zu dir!«
Ich hörte ihn, doch seine Stimme klang wie durch dicke Watte gefiltert. Dann hörte ich noch etwas. Es war mein eigenes Stöhnen, und ich spürte plötzlich den eigenen Willen, der mich zwang, mich wieder mit der Realität zu beschäftigen.
Ich verdrehte die Augen, um in die Höhe schauen zu können. Da sah ich Bills Gesicht mit dem besorgten Ausdruck darin über mir.
»Und?«, fragte er.
Ich lachte, ohne es zu wollen.
»Bullshit. Ich habe mich wohl übernommen, denke ich.«
»Und was ist genau passiert? Ich sah dich plötzlich fallen und bekam so etwas wie Panik.«
»Hilf mir erst mal hoch.« Ich hatte Bill darum gebeten, weil ich in meinen Beinen eine böse Schwäche erlebte.
Mit Bills Hilfe gelangte ich auf die Füße. Er hielt mich auch fest, und ich merkte, dass allmählich meine Spannkraft zurückkehrte. So leicht war ich nicht unterzukriegen.
»Sie ist weg, Bill, nicht?«
»Klar. Ich habe es auch kaum fassen können. Sie leuchtete plötzlich auf, ihr Körper verschwand, dann sah ich dich fallen. Das ist alles gewesen.«
»Ich konnte nichts dazu. Es war eine plötzliche Schwäche, die mich überkam. Dabei hat sie sogar mit mir gesprochen, und ich habe ihre Worte nicht als feindlich eingestuft.«
»Okay, darüber reden wir gleich. Komm erst mal ins Haus, dann sehen wir weiter.«
»Klar. Hier ist es mir auch ein wenig zu kalt.« Bevor ich jedoch ging, warf ich einen Blick durch den Garten. Es gab genügend Licht, um den größten Teil erkennen zu können.
Aber da war nur die Winterlandschaft zu sehen. Die geheimnisvolle Besucherin war verschwunden.
»Was hat Sheila noch gesagt?«
Bill, der mich sicherheitshalber stützte, fragte: »Was meinst du denn damit?«
Ich musste kurz nachdenken, dann hatte ich es. »Sie sprach vom schönen Schein des Bösen.«
»Ach ja, stimmt.«
»Und das habe ich in der Praxis erleben müssen. Diese Vanessa kann der schöne Schein des Bösen sein. Das sehe ich bei ihr nicht mal als widersinnig an.«
»Ist mir zu hoch, John.«
»Spielt jetzt auch keine Rolle.«
Es ging mir wieder besser, ich brauchte Bill nicht mehr als Stütze. Normal gingen wir nebeneinander her und auf die Haustür zu. Sie war weit
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