1661 - Tabuplanet Shaft
werden muß, wird die Geschichte des Sampler-Planeten Shaft vor unseren Augen abrollen wie ein Film."
„Falls es uns gelingt, den Informationskode zu ermitteln und die Sprache zu entziffern", gab Donald Hagen zu bedenken.
Solche Sorgen hatte Norman Bliss natürlich nicht. „Das ist schon einmal getan worden, erinnerst du dich? In der Akkretionsscheibe von Borgiaeins, während der Untersuchung des Totenschiffs."
„Wir sind fünfundzwanzig Millionen Lichtjahre von Borgia entfernt", sagte Hagen. „Ich halte es für reichlich kühn anzunehmen, daß das, was wir dort gelernt haben, sich hier ohne weiteres anwenden läßt."
„Auf der anderen Seite haben wir Philips Behauptung, daß alle diese Welten, die ihren Standort entlang der Grenzen der Großen Leere haben, früher zu einem riesigen Sternenreich gehörten", wandte Keith Junker ein. „Warum sollte also nicht..."
„Nicht nur Philips behauptet das", fiel ihm Norman Bliss ins Wort. „Die Unterlagen, die an Bord des Totenschiffs gefunden wurden, lassen dieselbe Vermutung zu."
„Darauf will ich eben hinaus", erklärte Junker. „Es ist durchaus vernünftig anzunehmen, daß Informationskode und Sprache im Raumsektor Borgia so ähnlich sind wie die hier."
Donald Hagen zuckte mit den Schultern. „Dann laßt's uns in Gottes Namen probieren", sagte er.
Es gab in diesem Augenblick nichts, wodurch Norman Bliss Laune sich hätte trüben lassen.
Er hielt den glänzenden Chip in die Luft, als sei er ein Nugget. Keith Junker hatte ihn noch nie so lebendig, noch nie so locker und fröhlich gesehen.
Seine letzten Zweifel an Bliss' Befähigung als Wissenschaftler verflogen in diesem Augenblick. Wer sich über einen Chip so freute wie Norman Bliss in diesem Augenblick, der war mit ganzem Herzen ein Forscher.
Nur schade, daß sich in diesem Augenblick der Interkom meldete. „Nachricht für Keith Junker", klang es aus dem Empfänger. „Hier!" meldete sich Junker. „Bitte zum Rapport in die Kommandozentrale der FORNAX."
„Wann?" wollte Keith Junker wissen. „Sofort", lautete die Antwort. „Wir wollen wissen, was ihr treibt."
*
Später hatten sie Norman Bliss sich selbst überlassen und waren zur Ruhe gegangen. Vor dem Einschlafen hatte Keith Junker sich noch das Bulletin angesehen, das in Abständen von sechs Stunden von ,der FORNAX ausgestrahlt und von ARS gespeichert wurde. Die achtzehn Shifts, die über der Oberfläche des Planeten kreuzten, hatten bisher nichts Außergewöhnliches entdeckt. Keinen Schacht, keine geheimnisvolle Bodenöffnung, nichts.
Es hatte den Anschein, daß Shaft in der Tat nur der vorgeschobene Stützpunkt einer fremden Zivilisation gewesen war, die ihre Anwesenheit auf die acht jetzt in Trümmern liegenden Anlagen auf der Insel Ponce beschränkt hatte.
Niemand nahm es Norman Bliss übel, daß er seine Kollegen mitten in der Nacht weckte.
Seine Stimme überschlug sich fast vor Triumph, als er ins Interkom brüllte: „Es ist soweit! Wir können die Daten auf dem Chip lesen! Kommt rüber und seht euch die Sache an!"
Er war immer noch in Donald Hagens Labor. Hagen hatte nebenan geschlafen und war schon anwesend, als Keith Junker eintraf.
Norman Bliss' Augen leuchteten vor Begeisterung. Er hüpfte um den Apparat herum, den er zusammengebaut hatte, daß das Fett ihm am ganzen Leibe schwabbelte. „Hast du's schon probiert?" fragte Junker. „Nein", jubelte Bliss. „Ich wollte die Überraschung mit euch zusammen erleben. Ich habe mich nur vergewissert, daß die Daten gelesen werden können. Welche Informationen sie enthalten, davon habe ich keine Ahnung."
„Dann fang an, bevor die Spannung uns umbringt", sagte Donald Hagen und gähnte herzhaft.
Auf einen Zuruf hin wurde die Beleuchtung gedämpft. Der Physiker begann an seiner Apparatur zu hantieren. Dazu sprach er in verhaltenem Tonfall, wie ein Verschwörer: „Der Clou war tatsächlich, daß der Informationskode, in dem die Daten auf dem Chip abgefaßt sind, identisch ist mit dem, den wir von den drei Totenschiffen in der Akkretionsscheibe von Borgiaeins her kennen", erläuterte er. „Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte ich wahrscheinlich noch ein paar Tage länger gebraucht, um Zugang zu den gespeicherten Daten zu finden."
Er trat zwei Schritte zurück und verschränkte die Arme auf dem Rücken. Er sieht aus wie ein Volksschüler, der ein Gedicht vorgetragen hat und jetzt auf das Lob des Lehrers wartet, dachte Keith Junker.
Erwartungsvoll blickte Bliss ins
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