1661 - Tabuplanet Shaft
an Florida, nicht nur von der Topographie her", antwortete Norman Bliss. „In Florida bin ich groß geworden. Bei uns gibt es sogenannte Sinkholes. Das sind Stellen, an denen der Boden plötzlich absackt. Unterirdische Wasseradern haben dort in der Tiefe das Erdreich weggespült und ein Loch hinterlassen. Wenn das Loch groß genug ist, rutscht der Boden von oben einfach hinein."
„Gibt es dabei elektromagnetische Störsignale?" wollte Junker wissen. „Nein", sagte Bliss. „Das ist eben das Besondere an diesem Ereignis hier."
Sie erreichten den Grund des Trichters. Donald Hagen meldete sich aus der Höhe. „Ich habe euch aus den Augen verloren", erklang seine Stimme im Helmempfänger, „Wie sieht's da unten aus?"
„Wie auf dem Boden eines Trichters", antwortete Keith Junker trocken. „Vorläufig ist nicht Besonderes zu sehen."
Sie hatten die Brustscheinwerfer eingeschaltet. Die Sonne stand noch zu niedrig, als daß ihr Schein bis zu ihnen herabgereicht hätte. Ringsum war Sand, mit Kalksteinen durchmischt.
Norman Bliss packte einen der blassen Steinbrocken und begann daran zu zerren. Der Physiker war zwar mächtig von Gestalt, aber an Kräften fehlte es ihm, weil seine Körperfülle nicht von Muskeln, sondern von Fett herrührte. „Das Ding bewegt sich", keuchte er. „Hilf mir!"
Keith Junker packte mit an. Während Bliss zog und zerrte, drückte er den Steinklotz nach unten. Plötzlich, mit einem Ruck, löste er sich aus dem sandigen Boden und kollerte zur Seite.
Eine Ladung Erdreich rutschte nach. Aber dann, als alles zur Ruhe gekommen war, gähnte ein annähernd mannshohes Loch in der Wand des Trichters. „Immerhin", brummte Norman Bliss, richtete den Scheinwerfer in die Öffnung und setzte sich in Bewegung. Keith Junker folgte ihm auf den Fuß.
Sie gelangten in einen Stollen, der sich leicht abwärts neigte. Die Wände bestanden aus Kalkstein, sie zeigten keinerlei Spuren von Bearbeitung. Der Gang war auf natürliche Weise entstanden. Nach etwa achthundert Metern beschrieb er eine Biegung. Bliss, der voranging, blieb so plötzlich stehen, daß Junker fast auf ihn geprallt wäre. „Heh, da vor uns ist nichts mehr", sagte Bliss.
Keith Junker blickte ihm über die Schulter. Nicht mehr als acht Meter voraus waren die Wände des Stollens plötzlich zu Ende. Das Licht des Scheinwerfers, stach hinaus in eine konturlose Finsternis. Junker drängte sich um Bliss herum und bewegte sich mit vorsichtigen Schritten an der Wand entlang auf die Stelle zu, an der der Gang aufzuhören schien.
Ein wirkliches Risiko ging er dabei nicht ein. Wenn er plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen hätte und in die Tiefe stürzte, würde das Gravo-Pak des SERUN binnen einer Hundertstelsekunde reagieren und ihn abfangen. Es war die Furcht vor dem Unbekannten, die ihn dazu bewog, vorsichtig zu sein.
Die Wände des Stollens blieben zurück. Der felsige Untergrund reichte noch ein paar Meter weiter, bevor auch er an einer wie mit dem Lineal gezogenen Kante abrupt endete. Keith Junker löste den Scheinwerfer von der Brustplatte des SERUNS und schwenkte ihn langsam im Halbkreis.
Er stand auf einem Sims. Unmittelbar vor ihm fiel der Fels senkrecht in die Tiefe. Wie weit es hinunterging, konnte er nicht ermitteln. So weit reichte das Licht des Scheinwerfers nicht. Über sich, in beträchtlicher Höhe, hatte er eine felsige Decke. Sie wirkte ebenso wie der Stollen, durch den er mit Norman Bliss gekommen war: unbehauen, natürlich gewachsen.
Nach rechts und links zog sich der Sims Hunderte von Metern die Wand entlang. Die Wand war nicht gerade, wie Junker zuerst angenommen hatte, sondern sanft gewölbt. Er hatte das Gefühl, sich in einem weiten Kessel zu befinden, konnte sich dessen jedoch nicht vergewissern, weil sein Scheinwerfer nur eine unzureichende Leuchtstärke aufwies.
Eine merkwürdige Stimmung erfaßte ihn. Er überlegte, ob er sich dem Gravo-Pak anvertrauen und den schwarzen Abgrund erforschen sollte, der sich unter ihm dehnte. Er hatte das Gefühl, einem Geheimnis gegenüberzustehen. War das der Schlüssel zur Natur der Sampler-Planeten?
Gleichzeitig aber hatte er Angst. Sein Instinkt sagte ihm, daß dort unten eine tödliche Gefahr lauerte. Er glaubte, die Bedrohung körperlich zu spüren. Ein kalter Schauder lief ihm über den Rücken. Wie zufällig fiel sein Blick auf das Datenfeld im Videosektor des Helms. Die Außentemperatur lag bei drei Grad Celsius. Der kalte Hauch des Todes stieg aus dem Abgrund
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