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1661

1661

Titel: 1661 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Lépée
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Befangenheit. Vor ihm stand sein Vater, der seine Kindheit geprägt hatte, sein Vater, um den er in der Einsamkeit der Nächte in Amboise geweint hatte, sein Vater, dessen Stärke und Rat ihm so sehr gefehlt hatten – er stand hier vor ihm, mit dem Gesicht eines alten Mannes. Dieser Mann, den er nun wiedererkannte, ohne ihn wirklich zu erkennen, war ihm vertraut und zugleich völlig fremd.
    Sekunden vergingen, während sie schweigend dastanden. André de Pontbriand hielt die Arme um seinen Sohn geschlungen, als müsste er die Jahre der Trennung wiedergutmachen. Endlich ließ er Gabriel los und trat ein paar Schritte zurück, um erneut den Mann zu betrachten, der sein Sohn war, den Mann, dem die Erschütterung ins Gesicht geschrieben stand und über dessen Wangen nun Tränen rollten.
    »Aber was tut Ihr hier unter falschem Namen? Und warum habt Ihr uns verlassen und uns glauben lassen, Ihr wäret tot? Bevor Ihr mir irgendetwas anderes erzählt, wünsche ich zumindest eine Erklärung!«
    Mit einem bitteren Lächeln blickte André de Pontbriand auf seinen Sohn. Er hatte die Fäuste geballt, und in seinen geröteten Augen loderte ein Feuer. Nachdem sich das erste große Erstaunen gelegt hatte, war die Ergriffenheit in Wut umgeschlagen. Wie er mir gleicht, dachte er.
    »Du hast recht, mein Junge«, antwortete er ihm traurig. »Ich habe euch einer Sache geopfert, die wichtiger ist als wir alle. Die Verantwortung, die ich dafür trage, dass ich in die Fremde gegangen bin, ist wie eine Wunde in meinem Herzen, die sich niemals schließen wird. Du bist nun ein Mann und hast das Recht, die Wahrheit zu erfahren. Verurteile mich nicht, bevor du sie kennst! Ich werde alle deine Fragen beantworten. Dochvorher wollen wir uns setzen, nicht wahr?« Er deutete auf den Teil des Studierzimmers, der als Salon eingerichtet war. »Ich lasse Tee heraufbringen. Du siehst, mit den Jahren habe ich mich von den englischen Gepflogenheiten verführen lassen!«, fügte er mit gespielter Leichtigkeit hinzu.
     
    André de Pontbriand nahm einen Schluck aus seiner Tasse und begann, von den vergangenen fünfzehn Jahren zu erzählen.
    »Zunächst musst du Folgendes wissen: Ich habe die Ehre, seit meinem zwanzigsten Lebensjahr einer noblen Bruderschaft dienen zu dürfen, in der schon dein Großvater wie auch sein Vater und der Vater seines Vaters wirkten. Wir sind nur vierzehn Mitglieder, über die ganze Welt verstreut, und wir bewahren ein Geheimnis von unschätzbarem Wert. Diese heilige Sache hat mich nach London geführt und mich all die Jahre davon abgehalten, zu euch zurückzukommen. Die Nachricht von meinem Tod sollte euch vor den Gefahren schützen, die unserer Familie durch einen Verrat drohten. Um deine Neugier zu befriedigen, kann ich dir sagen, dass der Verräter in unserer Bruderschaft sich Naüm nannte. Vor fünfzehn Jahren hat er für eine große Summe Geld dem Kardinal Mazarin Papiere überlassen, auf denen mein Name steht. Dieses Dokument, das er mir gestohlen hat, ist der Schlüssel, ohne den man das Geheimnis nicht enthüllen kann. Glücklicherweise war ich von deinem Großvater in die Geheimnisse der Verschlüsselungskunst eingeweiht worden und hatte dafür gesorgt, dass das Dokument codiert wurde. Dabei stand so viel auf dem Spiel, dass ich, als die Sache entdeckt und die Polizei des Kardinals hinter mir her war, fliehen und meine Vergangenheit über Bord werfen musste. Um die Ehre der Pontbriands zu retten und eure Integrität zu bewahren, habe ich, mein lieberGabriel, die schreckliche Entscheidung getroffen, euch nie wiederzusehen und in die Haut von Charles Saint John zu schlüpfen.«
    Gabriel erschauderte, als so ein Teil des Schleiers gelüftet wurde, der über seiner Kindheit gelegen hatte. Ihn schwindelte.
    »Aber warum?«, fragte er benommen. »Warum?«
    »Lass es mich dir erklären, gib mir ein wenig Zeit«, bat sein Vater, »wir haben beide so lange gewartet   …«
    Der alte Mann erzählte ihm noch vieles aus seinem Leben in London, von seiner neuen Tätigkeit, seinen Handelsreisen in ferne Länder. Während er ihm zuhörte, studierte Gabriel die Umgebung, in der er sich befand, und versuchte, sich jede Empfindung, jeden Geruch, jedes Geräusch, jedes Detail der Einrichtung einzuprägen. Wie oft hatte er im Traum seinen Vater in einer unbekannten, aber immer phantastisch anmutenden Umgebung gesehen. Die eher mittelmäßigen Verhältnisse, in denen er in Wirklichkeit lebte, faszinierten und rührten ihn

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