1671 - Chaos-Kämpfer
unsere Zeit keinen direkten Angriff gegeben. Dennoch war mir die Frau sehr nahe gewesen und da konnte es sein, dass sie ebenfalls mitgerissen worden war.
»Habe ich da bei Ihnen etwas angestoßen?«, fragte Santos.
»Ja.«
»Habe ich mir gedacht. Aber mir ist das alles egal. Ich will einfach nur weg. Ich verziehe mich in meine Wohnung und versuche mir vorzustellen, dass ich diesen ganzen Mist nur geträumt habe.« Er tippte gegen seine Stirn. »Glauben kann ich es sowieso nicht.«
Das konnte ich ihm nicht verdenken. Der Zufall hatte uns zusammengeführt. Als Zeuge brauchte ich ihn nicht. Er würde mir nicht weglaufen.
»Wenn Sie fahren wollen, dann bitte. Ich stehe Ihnen nicht im Weg.«
Er sah mich erstaunt an. »Ha, und was machen Sie?«
Ich musste lächeln. »Ich werde mich weiterhin um den Fall kümmern müssen.«
Er starrte mich noch immer an. Dann meinte er: »Das ist eben der Unterschied zwischen einem normalen Bürger wie mir und einem Polizisten. Obwohl ich mich bei meinem Job auch nicht gerade als normal ansehe. Was soll's? Jeder muss sehen, dass er zurechtkommt. Und wenn ich daran denke, was ich in der Vergangenheit gesehen habe, werde ich mich davor hüten, noch mal über das Leben hier zu meckern. Die einfachen Leute dort haben ja gar nichts gehabt. Die waren nicht zu beneiden.« Er schnippte mit den Fingern, als hätte er sich noch an was erinnert. »Da habe ich doch einen alten Mann gesehen…«
»Stimmt.«
»Wissen Sie, was mit ihm passierte, als wir verschwanden?«
»Nein.«
»Ich wünsche ihm, dass er noch lebt. Ehrlich.«
Das wünschte ich Galworth auch. Es war kaum zu begreifen. Da hatte er auf Hector de Valois gesetzt und ihm erschienen war ein Mensch, der einmal Hector de Valois gewesen war.
»So, ich fahre dann.«
»Tun Sie das.« Santos nickte mir zu. Es sah so aus, als würde es ihm leid tun, mich allein zu lassen. Er öffnete die Wagentür und machte sich klein, um sich auf den Fahrersitz zu zwängen. Da passierte es.
Ich sah nichts. Ich hörte nur etwas. Es war wie ein Sirren in der Luft und ich sah, wie die gebückte Gestalt des Dan Santos noch mal hoch zuckte. Aber etwas hatte sich verändert. Aus seinem Rücken ragte der Griff eines Messers…
***
Es folgte die Sekunde, in der mich der Schock packte. Ich kam einfach nicht weg, stand wie angeleimt auf dem Fleck, sah den Griff des Messers aus dem Rücken ragen und hielt es im Moment für eine Illusion. Alles in meiner sichtbaren Umgebung schien eingefroren zu sein und ich kam erst wieder zu mir, als ich das leise Stöhnen vernahm. Noch stand Dan Santos in seiner gebückten Haltung, dann sackte er nach vorn, und erst in diesem Moment wurde 1 mir bewusst, was da abgelaufen war. Es meldete sich so etwas wie der Instinkt in mir. Plötzlich war die Lähmung verschwunden. Ich wusste genau, was zu tun war, und ich schaute in die Richtung, aus der das Messer geflogen sein musste.
Dort standen einige Bäume dicht beisammen. Sie bildeten einen Sichtschutz! Er war für einen Hinterhalt wie geschaffen, und dieser Gedanke trieb mich an einen anderen Ort. Ich wollte auf keinen Fall stehen bleiben und als Zielscheibe dienen. Deshalb tauchte ich zur Seite und diesmal fand ich eine Deckung in der Dunkelheit, weg vom Wagen.
Es war die Frau gewesen, die ich in der Vergangenheit gesehen hatte. Sie war zu nahe bei mir gewesen. Sie war mitgerissen worden und hielt sich jetzt in meiner Zeit auf. Nur war sie leider nicht zu sehen. Sie hatte den Vorteil der Nacht ausgenutzt. Ich musste mich entscheiden. Entweder die Verfolgung aufnehmen oder mich um Dan Santos kümmern. In seinem Körper steckte das Messer. Ich wusste nicht, wie tief die Klinge eingedrungen war und ob sie Santos getötet hatte. Sollte er noch am Leben sein, war es dringend nötig, dass er in ärztliche Behandlung kam, und deshalb musste die Frau noch warten.
Geduckt huschte ich über den Boden. Den BMW behielt ich als Deckung. In meiner rechten Hand lag die Beretta. Ich war bereit, sofort zu reagieren, aber zunächst ging es mir um Santos.
Als ich nahe genug an ihn herangekommen war, hörte ich sein leises Stöhnen. Ich glitt noch ein Stück näher und schaute in ein Gesicht, dessen schweißnasse Haut zuckte. Santos lag auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht.
Ich wusste nicht, ob er mich sah, setzte aber darauf, dass er mich hörte.
»Bitte, bleiben Sie liegen. Bewegen Sie sich nicht. Ich werde Hilfe holen.«
»Ja, ich…«
»Pssst. Nicht reden…«
Hilfe zu holen war
Weitere Kostenlose Bücher