1678 - Das Selbstmord-Haus
wollen, Mister Kerr.«
»Ach? Mit mir?«
»Ja, und…«
Judy Kerr mischte sich ein. »Bitte, Bill, lassen Sie das. Sie sehen doch, dass es meinem Mann nicht gut geht.«
So leicht gab der Reporter nicht auf, und Sheila hielt ihn nicht zurück.
»Das sehe ich schon, Judy. Ich kann Ihnen auch sagen, dass sein Unwohlsein vielleicht in einem Zusammenhang mit dem Grund steht, weshalb wir hier sind.«
»Sie meinen diesen komischen Tempel? Das ist doch…«
Jetzt meldete sich Kerr. »He, was hast du da gesagt?«
»Ich habe nur etwas wiederholt, was die beiden dort gesagt haben.«
»Du kennst den Tempel doch gar nicht!«
Jetzt zuckten nicht nur die Conollys zusammen, denn Gordon Kerr hatte zugegeben, dass ihm der Tempel bekannt war. Seine Frau suchte nach Worten. Sheila war schneller, und sie fragte: »Sie haben den Tempel gesehen?«
»Ja. Ich war dort.«
»Wann denn?«
»In der letzten Nacht.«
Judy Kerr presste ihre Hände gegen die Wangen, »Das glaube ich nicht«, flüsterte sie.
»Was hast du denn in einem Tempel gewollt? Du bist doch nicht religiös.«
»Das weiß ich selbst. Aber es ist auch keine Kirche. Es ist ein besonderer Ort. Einer für mich und meine Kollegen. Einer für Verlierer.«
»Und weiter?«
»Da werden einem neue Wege aufgezeigt. Oder nur ein Weg, der einzig richtige, wie ich finde.«
»Und wo führt der hin?«
»In das Neue hinein, in eine Welt, in der es keinen Gewinn und Verlust mehr gibt. Man bekommt dort gesagt, was man zu tun hat.«
»Aha. Und wer sagt es dir?«
Alle waren gespannt auf die Antwort. Auch Sheila und Bill, die sich zurückhielten, denn Judy Kerr konnte mit ihrem Mann besser sprechen. Er vertraute ihr.
»Du hast dort also etwas zu hören bekommen.«
»Das stimmt.«
»Was genau?«
»Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe und welchen neuen Weg ich beschreiten muss.«
»Wer hat dir das gesagt?«, rief sie und beugte sich zu ihrem Mann hinab.
»Die Stimmen eben.«
»Und wer hat gesprochen?«
»Diejenigen, die schon das getan haben, was mir und anderen noch bevorsteht.«
Es war eine Erwiderung, mit der die Frau nicht zurechtkam. Sie drehte sich um und wandte sich Hilfe suchend an Sheila und Bill. »Bitte, was sagen Sie dazu?«
»Das ist kein Spaß«, sagte Sheila leise. »Es ist gefährlich, den Tempel zu betreten.«
»Das wissen Sie?«
»Wir ahnen es zumindest. Es ist wohl jetzt der Zeitpunkt gekommen, an denen ich Ihnen die Wahrheit sagen muss. Haben Sie über die Selbstmorde der Banker gehört?«
»Das blieb ja nicht aus.«
»All diese Menschen sind vorher in dem erwähnten Tempel gewesen.«
Judy Kerr trat einen Schritt zurück und wurde blass. Ihre nächsten Worte erinnerten an ein Würgen. »Mein Mann war da.«
»So haben wir es gehört.«
Judy Kerr holte tief Luft. Ihr war anzusehen, dass sie plötzlich begriff, was hier ablief. Es war eine einfache Rechnung, deren Ergebnis sie flüsterte.
»Sie meinen also, dass mein Mann - mein Mann auch diesen Weg in den Tod beschreiten wird?«
»Davon gehen wir aus.«
Judy Kerr war so geschockt, dass sie nichts mehr sagen konnte. Diese brutale Wahrheit hatte sie stumm werden lassen. Nur auf ihrem Gesicht malten sich die Gefühle ab, die sie quälten. Sie bewegte ihre Hände, als wollte sie mit ihnen etwas sagen, weil es ihr die Stimme verschlagen hatte.
Einige Male öffnete sie den Mund. Erst dann konnte sie wieder etwas hervorbringen. Es waren keine normalen Worte, geschweige denn Sätze.
Sheila hörte ihr Gestammel und versuchte, die Frau zu beruhigen.
»Bitte, Judy, reißen Sie sich zusammen. Ihr Mann lebt noch. Es ist nur ein Vorsatz gewesen, und wir werden dafür sorgen, dass er ihn nicht in die Tat umsetzen kann.«
»Ja, ja…«, stammelte sie. »Aber warum wollte oder will er sich denn umbringen? Er hat doch alles hier. Wir führen auch eine gute Ehe. Unseren Kindern, die in Kanada leben, geht es gut und…«
»Es muss mit diesem Tempel zusammenhängen. Eine andere Erklärung gibt es nicht.«
»Davon hat mir Gordon nie etwas gesagt. Aber ich habe über die anderen Selbstmorde etwas erfahren. Ja, es sind Banker gewesen, das steht fest, und man war schon besorgt. Nie hätte ich gedacht, dass mein eigener Mann so etwas in Betracht ziehen würde. Was hat ihn dazu nur getrieben?«
»Wir werden es herausfinden, keine Sorge.« Sheila war froh, dass ihr Mann sie hatte reden lassen, denn Bill hatte etwas anderes zu tun. Er kümmerte sich um den Banker und ließ ihn nicht aus den Augen.
Gordon Kerr lag
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