1678 - Das Selbstmord-Haus
noch in seinem Sessel. Allerdings nicht mehr so ruhig. Er wälzte sich ab und zu von einer Seite zur anderen, stöhnte, schwitzte stark und wischte über sein Gesicht.
Manchmal schaute er auf die Anwesenden, dann wieder richtete er seinen Blick in den Himmel oder starrte ins Haus.
Bill war froh, dass sie den Besuch bei den Kerrs gemacht hatten. Hier konnte er einhaken. Gordon Kerr wusste, wo der Tempel lag, und er würde sie führen, das stand für den Reporter fest. Er überlegte auch, ob er seinen Freund John Sinclair anruf en sollte, wartete aber noch ab und beobachtete Gordon Kerr. Der Mann fand keine Ruhe. Er musste innerlich völlig aufgelöst sein. Warf sich auf seinem Stuhl von einer Seite zur anderen, schüttelte öfter den Kopf, sprach auch Worte, die jedoch niemand verstand.
Sheila und Judy Kerr standen zusammen. Auch sie waren von den Reaktionen des Mannes überrascht worden.
»Was tun wir denn jetzt?«, fragte sie. »Ich traue mich gar nicht mehr an meinen Mann heran. Der ist für mich zu einer fremden Person geworden.«
»Wir brauchen seine Aussage«, erklärte Bill. »Deshalb müssen wir zusehen, dass er so schnell wie möglich in den Zustand der Normalität zurückkehrt. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, aber es muss etwas geben, das ihn sehr beschäftigt und fast aus der Bahn geworfen hat.«
»Und was soll er Ihnen sagen?«
»Er kennt den Tempel.«
Es war von Bill eine schlichte Antwort gewesen, aber sie traf in diesem Fall voll und ganz zu. Zudem hatte der Reporter ein neues Thema ansprechen wollen, aber er kam nicht dazu, denn das Schicksal hatte etwas anderes mit ihm vor. Alle hörten den Schrei!
Aber nur die Conollys und Judy Kerr fuhren herum. Gordon Kerr nicht. Er hatte den Schrei ausgestoßen und genau das in die Wege geleitet, worauf es ihm ankam. Niemand hatte ihn mehr beachtet. Und das hatte Kerr ausgenutzt. In seiner Hosentasche hatte er die Pistole versteckt gehalten, die sich nun nicht mehr dort befand. Er hielt sie in der rechten Hand und presste die Mündung gegen seine rechte Schläfe…
***
Es war eine Situation, mit der keiner der Anwesenden gerechnet hatte. Völlig real, zugleich aber völlig irreal, wie Bill es empfand. Gordon Kerr saß jetzt starr in seinem Stuhl. In der rechten Hand hielt er die Waffe. Die Mündung drückte gegen seine Schläfe, der Finger lag am Abzug. Er musste nur um eine Idee nach hinten bewegt werden, um die Kugel in den Schädel zu jagen und dort alles Leben auszulöschen.
»Nein!«
Das eine Wort hatte Judy Kerr ausgestoßen. Sie befand sich in einem Zustand, bei dem man auf sie achten musste. Sie durfte keinen Fehler begehen, doch alles wies darauf hin, dass sie in der nächsten Sekunde zu ihrem Mann rennen wollte. Sheila griff ein. Nur keine Hektik zeigen. Jetzt musste sie den Überblick behalten. Sie ging mit vorsichtigen Schritten auf die Frau zu. Es war nur eine kurze Distanz, die leicht zu überwinden war, aber sie kam ihr unendlich lang vor, und Sheila atmete erst auf, als sie ihre Hände auf die Schultern der Frau gelegt hatte.
»Bitte, Judy, Sie müssen jetzt die Nerven bewahren. Nur ruhig bleiben!«
Judy Kerr setzte zweimal an zu sprechen, doch auch dann drangen die Worte nur als Flüstern aus ihrem Mund.
»Er - er - will sich töten. Es gibt doch keinen Grund! Wir haben es doch geschafft.«
»Noch lebt Ihr Mann.«
»Ja! Aber ich muss zu ihm. Ich muss ihn davon abhalten. Das ist so schrecklich, was er vorhat.«
Sheila wusste das selbst. Ihr war auch klar, dass sie eine Überreaktion der Frau vermeiden musste. Deshalb hielt sie Judy fest und sie sah, dass Bill den Kopf drehte, sie kurz anschaute und dann nickte.
Es stand fest, was er vorhatte. Er wollte Gordon Kerr retten. Sheila wollte erst gar nicht darüber nachdenken, wie schlecht oder gut seine Chancen standen. Sie musste alles ihrem Mann überlassen, der hoffentlich das entsprechende Fingerspitzengefühl besaß, auch wenn sein Vorhaben beinahe unmöglich war. Auch der Reporter war von dieser Aktion überrascht worden. Er musste sich erst sortieren, durfte nicht das Falsche tun und sich vor allen Dingen nicht schnell bewegen. Zum Glück schaute ihn der Banker nicht an. Er blickte zum Haus hin. Bill sah das rechte Profil, dabei auch die Hand mit der Pistole, und er schätzte zudem die Distanz ein, die ihn und Gordon Kerr trennte. Es waren knapp zwei Meter. Ein Nichts von Entfernung normalerweise, aber hier war eben nichts normal. Hier stand ein menschliches Leben auf
Weitere Kostenlose Bücher