1682 - Das Blutschiff
werden, die Sorgen um die Kinder hören nicht auf.«
»Das kenne ich von meinen Eltern, Mrs. Lester.«
»Leben sie noch?«
»Nein, sie sind beide tot.«
»Wie schade für Sie.«
»Da sagen Sie etwas. Ich würde mir auch heute noch gern einen Rat von ihnen holen.«
»Es ist gut, wenn Kinder so denken.« Wenig später stieß sie eine andere Zimmertür auf und wir betraten den Wohnraum, auf dessen rötlich braunen Holzdielen ein großer gelber Teppich lag, der dem Raum etwas Farbe und Helligkeit gab, denn die Fenster waren nicht sehr groß und die Möbel dunkel.
Mike Lester hatte es tatsächlich bis in dieses Zimmer geschafft. Er lag auch nicht auf dem alten Sofa, sondern saß in einem Ohrensessel und hatte die Beine auf einen Hocker gelegt.
Uns sah er allerdings nicht, denn er war eingeschlafen und sah auch nicht den Film, der vor ihm über dem Bildschirm der Glotze lief.
»Soll ich ihn wecken?«
Ich winkte ab. »Nein, das ist wohl nicht nötig. Nur wenn Sie uns nicht helfen können.«
Wir nahmen Platz und setzten uns um einen dunklen Tisch. Kathy Lester bot uns Tee an, den wir dankend ablehnten, denn wir wollten sofort zur Sache kommen. Um sie nicht erst groß und breit Fragen stellen zu lassen, sagte ich: »Wir brauchen Ihre Hilfe, Mrs. Lester!«
Der Satz überraschte sie so, dass sie zunächst nichts sagen konnte. Dann hob sie die schmalen Schultern und schüttelte den Kopf. »Wie kann ausgerechnet ich Ihnen helfen? Ich bin eine alte Frau und…«
»Nur indirekt«, sagte Suko.
»Da bin ich aber gespannt.«
»Es geht um ein Boot, das wir brauchen.«
»Ach! Sie wollen aufs Meer fahren?«
»Ja und nein. Uns geht es zunächst darum, nahe der Küste zu bleiben.«
In ihren Augen flackerte es. »Sie haben sicherlich schon den Dunst bemerkt?«
»Das haben wir.«
»Es ist gefährlich, durch den Nebel zu fahren.«
Suko lächelte. »Das ist uns klar, aber wir sehen leider keine andere Möglichkeit, den Fall zu lösen, und deshalb brauchen wir ein Motorboot, das schnell sein muss.«
»Ja, ja«, murmelte sie. »Das verstehe ich. Darf ich fragen, wohin Sie dann fahren wollen?«
Diesmal sprach ich. »Südlich von hier existiert eine kleine Bucht, in der Schiffe anlegen können. Das ist unser Ziel.«
Jetzt weiteten sich ihre Augen. »Ach so. Sie wollen das Schiff suchen, das ich gesehen habe?«
»Suchen und finden.«
Kathy Lester wurde leicht nervös. Sie wischte mit ihren Handflächen über den Kleiderstoff und musste einige Male hart schlucken. »Ja, dieser Segler, nicht wahr«, murmelte sie vor sich hin und sagte dann: »Es ist ein größeres Schiff. Sie müssen sich vorsehen. So einfach kommen Sie nicht heran.«
Ich winkte ab. »Das ist unsere zweite Sorge. Wichtig ist ein recht schnelles Boot. Gibt es hier im Ort jemanden, der es uns ausleihen könnte?«
»Oder besitzen Sie ein solches Boot?«, hakte Suko nach.
»Nein. Oder ja. Aber das können Sie nicht nehmen. Es ist ein Ruderkahn mit Außenborder. Damit können Sie sich unmöglich aufs Meer wagen.«
Ich ließ nicht locker. »Wissen Sie denn, ob es hier überhaupt ein schnelles Boot gibt? Es muss ja nicht groß sein. Hauptsache etwas seetüchtig und…«
»Das gibt es.«
Wir wären überrascht, als wir Mike Lesters Stimme hörten. Er hatte wohl einiges mitbekommen, rieb seine Augen und nickte uns zu.
»Tatsächlich?«, fragte ich.
»Ja.«
»Und könnten wir es uns ausleihen?«
Mike verzog das Gesicht. »Das kann ich Ihnen nicht sagen, leider nicht. Es gehört mir nicht, sondern einem Mann, der in Holsworthy wohnt. Das ist im Innern des Landes. Hin und wieder kommt er zu uns und dreht ein paar Runden:«.
»Und Sie wissen auch, wo das Boot liegt?«
»Ja, hier unten am Kai. Falls man das Kai nennen kann. Da, wo auch die wenigen Fischerboote dümpeln. Das andere ist flach, deshalb fällt es auch kaum auf.«
»An wen müssen wir uns wenden, wenn wir es uns ausleihen wollen?«
»Am besten, Sie rufen ihn an.«
»Haben Sie die Nummer?«
»Nein, ich glaube nicht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er zu Hause ist. Der Mann ist Pilot, zudem nicht verheiratet, da ist er meistens unterwegs.«
Unsere Hoffnungen sanken, aber Kathy Lester hatte eine Idee. »Wir werden Marvin fragen.«
»Wer ist das?«, fragte Suko.
»Jemand, der auf das Boot achtet. Soviel ich weiß, besitzt er auch den Schlüssel, um es starten zu können.«
»Das wäre natürlich wunderbar«, freute ich mich und fragte sofort nach, wie wir Kontakt mit ihm aufnehmen
Weitere Kostenlose Bücher