1682 - Das Blutschiff
hangelte sie sich hoch und entschwand unseren Blicken.
»Die holt sich den Letzten!«, sagte Suko.
»Ja, das denke ich auch.«
In den folgenden Sekunden war nur das Klatschen der Wellen zu hören. Wir spitzten weiterhin unsere Ohren. Dann hörten wir einen Schrei. Nicht Justine hatte ihn ausgestoßen, sondern der dritte Halbvampir, den sie aufgescheucht haben musste. Es war einfach zu neblig, um sehen zu können, was sich über unseren Köpfen abspielte. Wir wollten es trotzdem wissen und liefen auf die Backbordseite des Seglers, denn von dort hatten wir einen besseren Blick.
Und wir holten unsere Leuchten hervor. Gezielt strahlten wir in die Höhe, was nicht viel brachte, weil die beiden hellen Strahlen von den grauen Nebelwolken durchweht wurden, doch ganz ohne Sicht blieben wir nicht. Es gab dort einen Korb oder so etwas Ähnliches. Den hatten beide erreicht. Im Ausguck, der nicht viel Platz bot, kämpften sie gegeneinander. Justine war die Gewinnerin. Etwas anderes konnte ich mir auch nicht vorstellen. Ihre auf engstem Raum ausgeführten Bewegungen sahen schattenhaft aus, aber sie dienten einem bestimmten Zweck. Sie machte den Halbvampir fertig und bereit für einen bestimmten Griff, denn jetzt brauchte sie ihre Nadel nicht mehr. Das Echo eines irren Schreis jagte in die graue Nebelsuppe hinein. Dann war es sehr still.
»He!«, rief die Cavallo. »Es ist geschafft!« Sie lachte wild auf, und im nächsten Augenblick flog etwas Großes, Dunkles von oben her auf das Deck zu. Der Aufprall hörte sich an wie ein leichter Donnerschlag. Es war der Körper des Halbvampirs, der nicht weit von uns entfernt aufgeschlagen war. Wir gingen nicht hin, leuchteten ihn aber an und sahen, wie er getötet worden war. Die Blutsaugerin hatte ihm das Genick gebrochen.
Ich atmete tief durch. Suko schüttelte den Kopf. Beide hatten wir unsere Probleme mit dieser Partnerin. Das war jetzt wieder überdeutlich zum Ausdruck gekommen. Einfach furchtbar.
Die Cavallo ließ sich an dem Tau nach unten gleiten, erreichte das Deck und kam grinsend auf uns zu.
»Na, was sagt ihr? Die Gefahr ist nicht mehr vorhanden. Mallmanns Erben werden sich wundern, das kann ich euch versprechen. Wir werden sie uns alle holen. Einen nach dem anderen.«
»Schon gut«, sagte ich. »Zunächst gibt es andere Dinge zu regeln.«
»Welche denn?«
»Sollen wir an Land schwimmen?«
Sie lachte mich an. »Klar, wenn es nicht anders geht. Aber wie ich dich einschätze, weißt du eine Lösung, Partner.«
Ich holte mein Handy hervor.
»He, wen rufst du an?«
»Die Küstenwache. Ich denke, dass sie uns von hier abholen wird.«
»Wie du meinst.«
Zufrieden war ich nicht richtig. Okay, es gab die Halbvampire nicht mehr, sie konnten kein Unheil anrichten, aber wenn ich daran dachte, wie viele Menschen mit ihrem Leben hatten bezahlten müssen, wurde mir ganz anders.
Wir hatten nichts dagegen tun können.
Manchmal laufen die Dinge eben aus dem Ruder, und dann war es schwer, sie wieder zurechtzurücken…
ENDE
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