1682 - Das Blutschiff
Ausdruck. Er zeigte jetzt so etwas wie eine satte Zufriedenheit. Sie entspannte sich, trank und merkte dabei, dass sich auch der Körper ihres Opfers entspannte.
Was noch an normalem Leben in ihm gewesen war, das verschwand. Er war nichts anderes als ein Spielzeug in den Händen der Vampirin. Es tat ihr gut, und sie ließ den Körper erst los, als sie auch den letzten Tropfen getrunken hatte. Dann sank sie zurück. Trotz des schlechten Lichts waren am Hals die Wunden zu sehen, die Justines Zähne hinterlassen hatten. Dicke rote Flecken, aus denen kein Tropfen Blut mehr quoll. Paul sah wie tot aus. Aber Justine wusste, dass dies nicht zutraf. Er war nur in den Zustand geraten, der der Vampirwerdung vorausging.
So hätte die Cavallo einen Verbündeten mehr gehabt. Doch genau das wollte sie nicht. Sie gehörte zwar selbst zu dieser Gruppe, aber sie fühlte sich ihr trotzdem nicht zugehörig. Sie war eben anders. Sie wollte die Anzahl der Blutsauger begrenzt halten, obwohl sie durch das Trinken von Blut selbst welche produzierte. Es gab nur eine Möglichkeit für sie. Sie musste das zerstören, was sie geschaffen hatte. Paul lag vor ihr. Es gab verschiedene Möglichkeiten, ihn für immer loszuwerden. Sie hätte ihn verbrennen können, aber das hätte ein zu großes Aufsehen zur Folge gehabt, wenn sich das Feuer in dieser Umgebung ausgebreitet hätte. Also die klassische Methode!
Ein Vampir killt einen Vampir, und das mit dem berühmten Stich ins Herz. Sie griff hinter ihren Kopf. Die schwarze Lederkleidung umspannte ihren Körper sehr eng. Aber am Nacken war genügend Platz, um eine Waffe zu verbergen. Die Waffe, die sie hervorzog, war fast so dünn wie eine Nadel. Justine lächelte böse, als sie die Nadel mit ihren Lippen berührte und küsste. Danach legte sie sich Paul zurecht und fixierte dessen linke Brustseite, unter der sich das Herz befand.
»Dein Pech, mein Freund, aber ein Will Mallmann darf nicht posthum siegen.«
Nach diesen Worten stieß sie zu. Die Nadel fuhr in den Körper hinein, sie verschwand bis zu einem Drittel, und Justine wusste, dass sie das Herz getroffen hatte. Der Vampir bäumte sich auf, für einen winzigen Moment lief ein Zucken über sein Gesicht, dann sackte er zusammen, und auch seine Gesichtszüge erschlafften wieder. Justine zog die Nadel langsam aus dem Körper hervor. Jetzt war sie sich sicher, dass diese Gestalt kein Menschenblut mehr trinken würde. Für sie war es ein Sieg, wenn auch nur ein kleiner. Aber sie würde alles daransetzen, ihn zu vergrößern, denn Mallmanns Kreaturen mussten vernichtet werden, wo immer sie ihnen begegnete. Sie richtete sich auf, nachdem sie die Flüssigkeit von der Nadel an der Kleidung des Toten abgewischt hatte.
Es war noch eine Leiche hinzugekommen.
Das störte sie nicht.
Die Cavallo war eine Person, die immer nach vorn schaute. Das sah sie auch in diesem Fall so, und sie freute sich bereits auf die vor ihr liegenden Taten. Sie würde erst zufrieden sein, wenn alle Halbvampire vernichtet waren…
***
Wir hatten uns zu Fuß auf den Weg gemacht und waren nicht eben von positiven Gedanken erfüllt. Dieser Fall würde sich noch ausweiten, davon waren wir überzeugt. Wir standen erst am Anfang.
Man sagt, dass sich an der Küste das Wetter schnell ändern kann. Die Luft verlor plötzlich an Klarheit. Dafür wurde sie feuchter, und dort, wo Wasser und Land zusammentrafen, hatte sich ein schwacher Dunst gebildet, der erst bei genauerem Hinsehen zu erkennen war, sich aber im Laufe der Zeit verdichten würde.
»Das wird noch spannend werden mit diesem Wetter«, meinte Suko, der sich immer wieder umdrehte. »Damit wird das Wetter zu einem Freund unserer Feinde.«
»Warten wir erst mal ab, wie dicht die Suppe wird.«
»Sommernebel, der sich an der Küste hält. Ich glaube nichts dass er sich bis weit aufs Meer hinzieht. Er wird aber für unsere Gegner ideal sein.«
»Du gehst also davon aus, dass sie sich auf dieses Schiff zurückgezogen haben?«
»Bestimmt.«
»Dann müssen wir es finden.«
»Du sagst es, John.«
Zunächst aber mussten wir unsere Freundin Justine Cavallo finden. Auf dem Weg zu dieser Räucherei waren wir einige Male gesehen worden, aber es hatte uns niemand angesprochen. Auch auf den letzten Metern geschah dies nicht. Es gab keinen Wind, der uns umweht hätte, und so hörten wir ein bestimmtes Geräusch, das entsteht, wenn jemand eine Tür öffnet, deren Angeln nicht geölt waren. Es war die Tür der Räucherei, die jemand
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