1682 - Das Blutschiff
Segel hingen schlaff herab und würden erst wieder gesetzt werden, wenn die Besatzung einen Erfolg erreicht hatte.
Wie ein Automat zog Justine die Ruder durch das Wasser. Wir hatten jetzt die Höhe des Seglers erreicht und befanden uns an der Heckseite.
Der größte Teil der Strecke war geschafft und es hatte nichts darauf hingedeutet, dass wir entdeckt worden waren.
Wir ruderten so dicht an dem Schiff vorbei, dass wir sein Holz riechen konnten. Es konnte sein, dass uns ein fauliger Geruch entgegen wehte. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, denn wer mit Vampiren zu tun hatte, der dachte auch an Fäulnis und Tod. Ein Problem gab es. Die Bordwand war ziemlich hoch, zudem feucht und glatt, und so würden wir kaum daran hochklettern können, um an Bord zu gelangen. Andererseits mussten die Halbvampire auch in das Ruderboot gestiegen sein, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie dabei gesprungen und geschwommen waren. Das Glück gehört dem Tüchtigen, und das waren in diesem Fall wir. Zugleich entdeckten wir die Strickleiter, die fast bis aufs Wasser hing, sodass sie von uns bequem zu erreichen war. Genau sie war die Chance.
Justine ruderte auf die Leiter zu. Sehr langsam näherten wir uns dem Ziel. Kurz davor stellte sich Suko hin und schaffte es, die Schwankungen auszugleichen.
Dann der Griff nach der Leiter. Zugleich bekamen die beiden so unterschiedlichen Boote Kontakt. Wir schrammten an der Bordwand entlang, aber Suko hatte bereits die Leiter gepackt, die er auch nicht mehr losließ und in die Höhe stieg, wobei die aus Tauen bestehende Leiter unter seinem Gewicht von einer Seite zur anderen schwang. Es war nicht ganz einfach, über ein solches Gebilde in die Höhe zusteigen. Als Nächster war ich an der Reihe. Durch ein paar Ruderschläge hatte Justine unseren Kahn so nah an die Leiter herangebracht, dass ich sie packen konnte;
»Lass mir noch was übrig, Geisterjäger.«
»Ich denke, du bist satt.«
»Ja, aber Spaß will ich trotzdem haben.«.
Darauf gab ich keine Antwort und versuchte es mit dem Aufstieg. Suko hatte die Reling mittlerweile erreicht und war für mich nicht mehr zu sehen. Ich dachte nicht mehr an unser Vorhaben und konzentrierte mich einzig und allein auf das Klettern. Dass die Leiter schwankte, ließ sich nicht vermeiden. Immer wieder prallte ich gegen die glitschige Bordwand, an der ich dann leicht abrutschte. Aber ich hielt mich tapfer. Von oben drohte offenbar keine Gefahr, denn Suko meldete sich nicht. Noch drei dicke Sprossen, und ich konnte die Reling umfassen. Dann erschien Suko, der sofort nach meinen Gelenken packte und mich an Bord hievte. Ich schwang mein erstes Bein hinüber, danach das zweite und fragte sofort: »Hast du sie gesehen?«
»Nein!«
Mit dieser Antwort musste ich mich erst mal zufriedengeben. Es fehlte noch jemand. Ich schaute über Bord und sah die Blutsaugerin die Jakobsleiter hochklettern. Aber ich sah auch etwas anderes. Unser Boot wurde nicht mehr gelenkt und war zu einem Spielzeug der Wellen geworden, die es abgetrieben hatten. So leicht würden wir nicht mehr daran kommen.
Das war mir egal. Jetzt zählten nur noch die Halbvampire, die die Besatzung des Seglers stellten. Nur waren sie nicht zu sehen. Keiner griff uns an, niemand wollte uns in die Flucht schlagen. Das schlaffe Segel bewegte sich im leichten Wind, sodass der Stoff klatschende Geräusche produzierte, die lauter waren als die der Wellen.
»Sieht verlassen aus«, sagte Suko.
Die Cavallo musste lachen. »Das glaubst du doch nicht wirklich. Die sind hier an Bord. Sie halten sich nur zurück, und deshalb müssen wir das Schiff durchsuchen.« Sie deutete mit dem Daumen nach unten. »Es gibt genug Verstecke unter Deck.«
Das war auch Suko und mir klar, doch erst schauten wir uns hier oben um. Es war schon seltsam, sich auf einem Schiff zu bewegen, auf dem es kein Licht gab. Nicht eine Laterne schaukelte im Wind. Die Nebelstreifen krochen lautlos über das Deck und wirkten dabei wie Fahnen, die von unsichtbaren Kräften gelenkt wurden. Wir hatten das Schiff im Bereich des Hecks betreten. Einen Aufgang gab es auch, doch der lag weiter vorn und von uns aus gesehen vor dem Mast. Wir gingen dorthin. Eine Tür war geschlossen. Aber sie hatte eine Klinke, die ich drückte und einsehen musste, dass die Tür verschlossen war. Justine Cavallo schob mich zur Seite. Nur kurz holte sie mit dem rechten Bein aus, dann traf der Fuß das Holz und riss die Tür aus ihrer Verankerung. Die Bahn war
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