1682 - Das Blutschiff
Arzt kommt und…«
Das Stöhnen hörte auf. Dafür war ein schreckliches Gurgeln zu hören, und Larry nahm all seine Kräfte zusammen, um einige Worte zu sagen.
»Keinen Arzt. Lohnt sich nicht. Verblute. Ich spüre es. Es sind meine letzten Minuten…«
Die Stimme war zwar da, aber sie schien nicht mehr ihm zu gehören. Alles war so fremd geworden, und Mike sah, dass immer mehr Blut aus der Wunde an der Kehle drang.
»Wer hat das getan?«
Am Zucken der Augen sah Mike, dass er verstanden worden war, und Larry bemühte sich, eine Antwort zu geben. Sie klang sehr leise. Mike musste sein Ohr schon dicht an die mit Blut beschmierten Lippen bringen, um überhaupt etwas zu verstehen.
»Weiß es nicht - fremd - wollten Blut…«
»Was wollten sie?«
»Blut. Mein Blut, und das haben sie bekommen. In mir sind nur noch Reste davon. Sie haben ein Messer genommen, ein Messer und…« Plötzlich riss er den Mund weit auf. Der Blick seiner Augen wurde verdreht, sein Körper krampfte sich zusammen und einen Moment später schaute Larry Elmhurst mit leerem Blick in die Welt. Er war tot…
***
Es war kaum möglich, sich vorzustellen, dass Larry Elmhurst nicht mehr lebte, und doch traf es zu, was Mike Lester begreifen musste, als er wie eingefroren vor dem Toten kniete und an seinen Wangen die Feuchtigkeit der Tränen spürte, die dort ihre nassen Spuren hinterließen.
Er kam sich wie benebelt vor. Davon war besonders sein Kopf betroffen, und so drangen die bohrenden Fragen kaum an sein Bewusstsein. Er stellte sie irgendwann trotzdem.
Wer hatte den Mann auf eine so scheußliche Art und Weise umgebracht? Eigentlich war die Antwort leicht. Es konnte nur die Person gewesen sein, die auch seine Mutter gesehen hatte. Aber dabei blieb es nicht. Weitere Fragen folgten, denen sich Mike Lester auch stellte. War es wirklich nur eine Person gewesen, der es gelungen war, auf die Insel zu gelangen? Oder gab es mehrere? Auch davon hatte seine Mutter gesprochen, aber Mike hatte diesen Gedanken aus seinem Kopf verbannt. Erst jetzt wurde er wieder daran erinnert.
Den Blick des Toten konnte er nicht mehr ertragen. Er drückte ihm die Augen zu und fühlte sich danach irgendwie erleichtert. So hatte er nicht mehr den Eindruck, anklagend angestarrt zu werden.
Eines allerdings war geblieben. Es war das starke Gefühl der Angst, das sich in seinem Innern festgesetzt hatte. Dagegen konnte er nichts tun, denn er wusste genau, dass sich der oder die Mörder noch in der Nähe aufhielten, denn er hatte sie nicht verschwinden sehen. Irgendwo würde er sie finden. Abgetaucht in ein Versteck, von denen es viele auf diesem kleinen Landstück an der Küste gab. Dabei schloss er den Ort mit ein, und dieser Gedanke behagte ihm gar nicht.
Mike Lester hatte bisher am Boden neben dem Toten gekniet. Das änderte er nun, denn er drückte sich langsam in die Höhe, blieb leicht zitternd stehen, wobei sich seine Gedanken noch immer mit dem gleichen Thema beschäftigten. Mike wusste nicht, ob der oder die Mörder auch noch von anderen Menschen gesehen worden waren. Eher nicht, denn sonst hätten sich die Bewohner schon bemerkbar gemacht. Also war Larry das einzige Opfer bisher gewesen. Lester drehte seinen Kopf, nachdem er sich drei Schritte von dem Toten entfernt hatte. Er blickte auf die Räucherei, die den Elmhursts gehörte. Sie wurde von zwei Brüdern betrieben, wobei der zweite - Peter mit Namen - meistens unterwegs war, um neue Kunden zu akquirieren. Auch jetzt war er nicht da.
Mike überlegte, ob er sich der Räucherei nicht nähern sollte, um nachzuschauen, wer dort war. Die Frau, die alten Eltern. Das alles konnte zutreffen, und für Mike war es fatal, wenn er daran dachte, die Familie vom Tod ihres Ernährers zu informieren. Zudem war Larry nicht auf eine normale Art und Weise gestorben.
»Wer könnte mir denn einen Rat geben?« Lester traute sich nicht, die Menschen zu wecken und ihnen diese grausame Nachricht zu überbringen. Auf der anderen Seite wollte er auch nicht so tun, als wäre nichts passiert. Und so überwand er sich und machte sich schweren Herzens auf den Weg zum Haus. Wohnhaus und Firma lagen zusammen. Bei der Familie ließ sich das Geschäft nicht vom Privatleben trennen. Das Leben würde auch nach Larrys Tod weitergehen. Mike wusste das genau. Wie es jedoch für ihn weiterging, da hatte er seine Zweifel. Auf jeden Fall würde er nicht mehr unbefangen leben wie noch vor einer Stunde. Hier war etwas Schreckliches passiert, und es
Weitere Kostenlose Bücher